Willy Ley begeistert die USA für den Weltraum

Einer der bemerkenswertesten Männer unter den deutschen Weltraumpionieren war Willy Ley. Er war nicht Raketenwissenschaftler oder Ingenieur geworden, sondern Schriftsteller und Erzieher. Am 2. Oktober 1906 in Berlin geboren, besuchte er dort 1924 die Universität und studierte später in Königsberg Paläontologie und Astronomie. Nach drei Jahren zwangen ihn finanzielle Schwierigkeiten der Familie, das Studium abzubrechen.

Während seine Mitstreiter im „Verein für Raumschiffahrt“ damals in Deutschland blieben, ging er schon 1935 in die USA (siehe Kapitel 3). Gleich nach seiner Ankunft in den Vereinigten Staaten begann er mit seiner schriftstellerischen und publizistischen Arbeit.

Zusammen mit George Edward Pendray von der Amerikanischen Raketengesellschaft setzte sich Willy Ley unermüdlich für die Raumfahrt ein. Am 8. März 1935, er war noch nicht einmal zwei Monate in den USA, hielt er auf einer öffentlichen Sitzung der ARS im Museum für Naturgeschichte in New York (Abbildung 8.1) einen Vortrag über „Raketenbau in Europa“.

Schon 1937 nannten ihn die Medien „die größte Autorität auf dem Gebiet des Raketenbaus weltweit“. Sein Freund Moskowitz bemerkte, „Robert Goddard hätte wohl zu Recht [gegen eine solche Darstellung] protestieren können… Aber wegen seiner üblichen Zurückhaltung war von ihm nichts zu hören.“((Moskowitz 1966, S. 39.))

Während der 30er Jahre schrieb Willy Ley zahllose Artikel für Luftfahrtmagazine, um die neue Raumfahrtwissenschaft bekannt zu machen. „Wenige Probleme im Bereich der modernen Luftfahrt werden so häufig diskutiert, so oft missverstanden, fehlinterpretiert und verzerrt dargestellt wie der Raketenantrieb“, schrieb er 1936 in Aviation.((Ley 1936, S. 18.))

Abbildung 8.1: Raketenfieber in Amerika. Knapp zwei Monate nach seiner Ankunft in den USA sprach Willy Ley auf einer öffentlichen Veranstaltung der Amerikanischen Raketengesellschaft in New York. Damit begann seine Karriere als einer der wichtigsten Propagandisten der Raumfahrt. Bild: National Air and Space Museum, Peter van Dresser Collection
Abbildung 8.1: Raketenfieber in Amerika. Knapp zwei Monate nach seiner Ankunft in den USA sprach Willy Ley auf einer öffentlichen Veranstaltung der Amerikanischen Raketengesellschaft in New York. Damit begann seine Karriere als einer der wichtigsten Propagandisten der Raumfahrt. Bild: National Air and Space Museum, Peter van Dresser Collection

Meistens schrieb er für Science-fiction-Zeitschriften Artikel, die selbst keine Science-fiction waren. Er berührte alle Themen, die Wissenschaftler und junge Leute gleichermaßen faszinieren konnten. „Besucher aus der Leere“ in Astounding Stories war die Geschichte eines riesigen Meteors, der in Sibirien niederging. Auf diese Weise, so spekulierte er, hätte ein „Besucher aus dem fernen Weltraum“ in Sporenform das Leben auf die Erde bringen können.

In der Februar-Ausgabe von Amazing Stories veröffentlichte Willy Ley 1940 den Artikel „Stationen im Weltall“, worin er sich allerdings nicht mit Oberths Raumstation befasste. „Lebten wir auf dem Mars, hätten wir die Weltraumfahrt schon“, begann er den Artikel, der eigentlich von der Schwerkraft und der Fluchtgeschwindigkeit handelte. Um eine Umlaufbahn um den Mars zu erreichen, müsste man lediglich eine Geschwindigkeit von 4,97 Kilometer pro Sekunde erreichen, während zu diesem Zweck auf der Erde 11,2 Kilometer pro Sekunde erforderlich wären.((Ley 1940a, S. 122.))

Außerdem beschäftigte er sich mit den Marsmonden Phobos und Deimos, die dem Planeten so nahe stünden und so klein seien, dass der Wunsch, sie zu besuchen, sicherlich unwiderstehlich gewesen wäre. Die Monde „mussten einfach die Anstrengungen der Raketenenthusiasten auf dem Mars herausfordern und alle ihre Kritiker zum Verstummen bringen“, stellte er sich vor. Die kleinen Monde würden Raumfahrern auf dem Mars als Auftankstationen für weitere Erkundungsflüge dienen.

Ley ließ keinen Zweifel daran, was er mit seiner Geschichte bezweckte: Baut Raumstationen! „Phobos und Deimos sind auch für uns, die wir auf der Erde leben, wertvoll“, schreibt er. „Sie sind ein Beispiel dafür, welchen Vorteil kleine, erdnahe Himmelskörper der Raumfahrt bieten“. Schließlich hätten schon die Seefahrer daran gedacht, mitten auf dem Atlantik zwischen Europa und Amerika eine schwimmende Insel als „Treibstoffdepot, Reparatur- und Zufluchtshafen bei schlechtem Wetter anzulegen“.((Ley 1940a, S. 123.))

Im November 1940 erschien aus Leys Feder der Artikel Aufruf an alle Marsbewohner. Darin beschäftigt er sich mit den unzähligen Theorien, ob es auf dem Mars Leben gibt und wie man mit intelligenten Wesen, wenn es sie vielleicht dort gäbe, in Beziehung treten könnte. Selbst der berühmte Mathematiker Gauß hätte sich mit diesem Problem einmal beschäftigt. In diesem Zusammenhang dachte Ley über die Entwicklung der Sprache nach und überlegte, wie wir uns mit Hilfe einfacher Symbole mit Lebewesen verständigen könnten, die keine unserer Sprachen kennen. Man sollte eine Art „Empfehlungsschreiben“ vorbereiten, schlug er vor, um mögliche Marsbewohner mit dem Ursprungsplaneten der Expedition, seiner Lage, wie sie vom Mars aus gesehen wird, und mit grundlegenden, universellen Konzepten der Geometrie und Mathematik bekannt zu machen.((Ley 1940d, S. 38.))

Etwa dreißig Jahre später verließ die Raumsonde „Pioneer 10“ nach Vorbeiflugmanövern an Saturn und Jupiter als erster von Menschen geschaffener Gegenstand unser Sonnensystem. Die Wissenschaftler stellten dabei ähnliche Überlegungen an wie Ley und brachten an der Außenwand der Sonde eine entsprechend gestaltete Plakette an.

Als Modell seiner Verständigungsversuche mit außerirdischen diente Willy Ley die „Botschaft an die Zukunft“, wie sie 1939 in einer Kapsel auf dem Gelände der New Yorker Weltausstellung vergraben worden war. „Es gibt eigentlich nur graduelle Unterschiede zwischen einer Botschaft an die Zukunft und einer an Marsbewohner“, schrieb er.((Ley 1940d, S. 39.))

1940 wurde Ley Wissenschaftsredakteur von Popular Mechanics, und ein Jahr später erschien sein Buch Der Lungenfisch und das Einhorn, worin er sich mit zoologischen Fragen beschäftigte, denen seine erste wissenschaftliche Liebe gegolten hatte.

Nach dem Krieg versuchte vor allem die Raketengesellschaft von Detroit, die europäischen Fortschritte beim Raketenbau mit den entsprechenden Anstrengungen in den USA zu verbinden. Die Gesellschaft rühmte sich, Hermann Oberth und Eugen Sänger als „technische Direktoren“ gewonnen zu haben, und veröffentlichte in ihrer Zeitschrift Rocketscience Artikel über zukünftige Vorhaben und über die Weltraumgeschichte, zum Beispiel einen Beitrag Krafft Ehrickes über Peenemünde.

Das Bild von Chesley Bonestells Raumschiff, fertig zur Rückreise vom Mond zur Erde erschien in dem zusammen mit Willy Ley 1950 herausgegebenen Buch The Conquest of Space. Es wurde zum Vorbild für zahlreiche populäre Darstellungen von Raumschiffen. Leicht erkennbar die Form der in Peenemünde entwickelten A-9. Bild: Chesley Bonstell, mit freundlicher Genehmigung von Fred Durant
Das Bild von Chesley Bonestells Raumschiff, fertig zur Rückreise vom Mond zur Erde erschien in dem zusammen mit Willy Ley 1950 herausgegebenen Buch The Conquest of Space. Es wurde zum Vorbild für zahlreiche populäre Darstellungen von Raumschiffen. Leicht erkennbar die Form der in Peenemünde entwickelten A-9. Bild: Chesley Bonstell, mit freundlicher Genehmigung von Fred Durant

Mit Rakete zum Mond, der 1945 in der Zeitschrift Mechanix lllustrated erschien, begann eine lange und fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Künstler Chesley Bonestell, zu dessen astronomischen Zeichnungen Willy Ley Texte lieferte. Bis zu seinem 50. Lebensjahr malte Bonestell vor allem Motive aus der Architektur, doch 1938 ging er nach Hollywood und arbeitete an Spezialeffekten für die Filmindustrie.((Miller 1983, S. 6.)) Daraus entwickelte sich sein Interesse für Gegenstände der Astronomie. Am 29. Mai 1944 veröffentlichte die Zeitschrift Life eine Reihe seiner Bilder des Saturn. Aber auch in anderen Zeitschriften wie Look und Astounding Science Fiction erschienen seine Arbeiten.

Abbildung 8.2: Miss Pickerell fährt zum Mars. In der weitverbreiteten Kindergeschichte kommt Miss Pickerell nach Hause und findet eine (dem nebenstehenden Bild sehr ähnliche) Rakete auf ihrer Weide. Solche und ähnliche optimistische und humorvolle Geschichten prägten in den fünfziger Jahren die Kinderliteratur in den USA. Bild: Ellen MacGregor, Miss Pickerell Goes to Mars, Pocket Books, 1951
Abbildung 8.2: Miss Pickerell fährt zum Mars. In der weitverbreiteten Kindergeschichte kommt Miss Pickerell nach Hause und findet eine (dem nebenstehenden Bild sehr ähnliche) Rakete auf ihrer Weide. Solche und ähnliche optimistische und humorvolle Geschichten prägten in den fünfziger Jahren die Kinderliteratur in den USA. Bild: Ellen MacGregor, Miss Pickerell Goes to Mars, Pocket Books, 1951

In Zusammenarbeit mit Willy Ley malte Bonestell nach dem Krieg nicht nur realistische Ansichten von der Mondoberfläche mit ihren Kratern, Gebirgen und Ebenen, sondern auch Bilder von bemannten Raumstationen in Erdumlaufbahn, von interplanetaren Raumschiffen und Flügen zum Mars. 1949 erschien in Amerika ihr erstes gemeinsames Buch, Die Eroberung des Weltalls (deutsche Ausgabe 1952). Darin fand sich die Zeichnung eines Raumschiffs (Abbildung 8.2), die bald zum Vorbild für viele populäre Darstellungen wurde.

Um nicht als einfaches Bilderbuch missverstanden zu werden, enthält das Werk auch Tabellen über die Planeten des Sonnensystems, ihre Monde und andere astronomische Angaben. Das Manuskript wurde von dem Astronomen Robert Richardson durchgesehen, der an einigen Punkten Verbesserungen vornahm. Ausführlich schildert Willy Ley in einem Kapitel des Buches den aufregenden Start einer V-2, den er in White Sands miterlebt hatte.

In der Einleitung zu Die Eroberung des Weltalls schreibt Ley, Bonestell habe schon „ein halbes Hundert astronomischer Bilder“ gemalt.((Ley 1952, S. 9.)) In Farbe zeigen seine Zeichnungen Weltraumansichten der Erde und anderer Planeten, die an Bilder heutiger Satelliten erinnern. Darunter findet sich ein Bild Weltraumschiff, 16 Kilometer hoch über dem Mondpol, worunter steht: „Die Erde berührt eben den Horizont des Mondes und wird bald hinter ihm untergehen.“((Ley 1952, S. 17.)) Seine Darstellungen von den Mondlandschaften mit den Kratern, Bergen und Maren waren erstaunlich genau. Das zeigt der Vergleich mit Fotografien, welche die Astronauten der Apollo-Missionen von der Oberfläche des Mondes mitbrachten.

In Die Eroberung des Mondes, das 1954 in deutsch erschien, berichten Ley und von Braun außerdem von der Errichtung einer Mondbasis, die wöchentliche Nachschubflüge von der Erde erforderlich macht. Bonestells begleitende Zeichnungen verdeutlichen erstmals mit wissenschaftlicher Präzision, welche Arbeiten Astronauten auf dem Mond ausführen könnten. Zusätzlich führte Willy Ley in die Grundlagen der Astronomie ein und beschrieb, wie es zur Entdeckung der äusseren Planeten kam.

In dem Kapitel „Himmelsungeziefer“ erzählt er mit besonderem Interesse die Geschichte von der Entdeckung des Asteroidengürtels zwischen Mars und Jupiter. Man erfährt, dass 1801 der junge Mathematiker Carl Friedrich Gauß für Prof. Guiseppe Piazza, der ein gerade noch ohne Fernrohr sichtbares „Sternchen“ entdeckt hatte, astronomische Berechnungen durchgeführt hat. Gauß errechnete die Entfernung des Kleinstplaneten von der Sonne auf 2,77 astronomische Einheiten (eine astronomische Einheit beträgt 149,6 Millionen Kilometer, das ist die mittlere Entfernung zwischen Erde und Sonne). Ley betonte, dass es mit dieser Zahl „eine besondere Bewandtnis“ hätte.((Ley 1952, S. 97.))

Schon im 17. Jahrhundert hatte nämlich Johannes Kepler angenommen, dass die Radien der Planetenbahnen in Verhältnissen zueinander stehen, die den „fünf platonischen Regelkörpern“ entsprechen. Kepler hätte daraufhin festgestellt: Inter Jovetn et Martern planetam inter posui – „Zwischen Jupiter und Mars fügte ich einen Planeten ein“. Immer mehr Asteroiden wurden anschließend gefunden, und der Zeitraum von 1850 bis 1870, so berichtet Ley, brachte pro Jahr fünf Neuentdeckungen.((Ley 1952, S. 99.))

Als 1951 in Europa wieder astronautische Kongresse stattfinden konnten, traf Willy Ley mit Robert Coles zusammen, dem Vorsitzenden des Hayden-Planetariums in New York. Er beklagte sich, dass nur sehr wenige Amerikaner zu solchen Veranstaltungen nach Europa fahren würden, und schlug daher vor, in den USA ähnliche Kongresse abzuhalten. Coles stimmte zu und beraumte auf den 12. Oktober, den Kolumbus- oder Entdeckungstag, ein astronomisches Symposium im New Yorker Planetarium an. Dazu lud er Wissenschaftler und Regierungsbeamte, die Presse, aber auch Vertreter der Streitkräfte ein.

Die Veranstaltung war ein großer Erfolg. Danach, so berichtete Ley, „wurde ich von zwei Herren angehalten, die sich als Vertreter der Zeitschrift Collier‘s vorstellten. Unsere zweiminütige Unterredung führte zu einem gemeinsamen Frühstück, das die Keimzelle des ersten Collier‘s-Symposium zur Raumfahrt wurde.“ Einer der Herren war Cornelius Ryan. Die Vorträge der Collier‘s-Symposien gingen auf Veranstaltungen zurück, die Willy Ley, Wernher von Braun, Heinz Haber und andere im Hayden-Planetarium gegeben hatten. Collier‘s veröffentlichte danach insgesamt acht Artikel über Weltraumfragen; der erste erschien am 22. März 1952.

Die Veröffentlichungen wurden von großen Werbekampagnen begleitet, ähnlich denen, die Fritz Lang 1929 der Uraufführung des Films Frau im Mond vorausschickte.

Zur Öffentlichkeitsarbeit gehörten auch Vorträge, die von Braun zusammen mit Cornelius Ryan in New York und Washington hielten. Dafür fertigte der Peenemünder Kunstzeichner Gerd de Beck Modelle von Raumstationen und Raketen an, die später auch im Fernsehen gezeigt wurden. Etwa 5,5 Millionen Zuschauer verfolgten im Fernsehen das Interview, das John Cameron Swayze mit Wernher von Braun führte.((Ordway und Liebermann 1992, S. 141.))

Die Collier‘s-Artikel lösten eine Flut von Anfragen an den Verlag aus, wie man Astronaut werden könne. Daraus entstanden im Jahre 1953 weitere Artikel über die Belastungen des Menschen im Weltraum. Als siebter Artikel der Serie erschien am 27. Juni 1953 der Plan für eine „Mini-Raumstation“ mit einem Rhesusaffen an Bord. Darin wird vorgeschlagen, an dem Äffchen die gesundheitlichen Auswirkungen eines 60tägigen Fluges im All zu studieren. Von Braun erklärte, eine solche Station ließe sich als Vorläufer einer bemannten Raumstation innerhalb von fünf bis sieben Jahren verwirklichen.((Ordway und Liebermann 1992, S. 142.))

Collier‘s wollte die achtteilige Serie im Sommer 1953 mit einem Artikel über eine bemannte Mars-Expedition auslaufen lassen. Er erschien allerdings erst am 30. April 1954, denn viele Anfragen beim Verlag über Trainingsprogramme für Raumfahrer und ähnliches hatten sein Erscheinen verzögert. Der Artikel baute auf den grundlegenden Vorstellungen Wernher von Brauns aus dem Jahre 1948 auf, eine Flottille von 10 Raumschiffen in der Erdumlaufbahn zusammenzusetzen, um mit ihnen 70 Astronauten zum Mars zu schicken, die dort etwa 15 Monate verbringen und den Planeten erkunden sollten. Das war wohl eine der phantastischsten Reisen, die man sich damals vorstellen konnte. Viele der Männer, die später im US-Weltraumprogramm arbeiteten, hätten „die ersten Funken ihres Interesses aus den Seiten von Collier‘s geschlagen“.((Ebenda.))

Die Artikelserie hatte einen so großen Erfolg, dass man sich entschied, das Material auch in Buchform zu veröffentlichen. 1952 erschien das von Cornelius Ryan herausgegebene Buch Across the Space Frontier (Über die Grenze zum Weltraum hinaus) mit Illustrationen von Chesley Bonestell und anderen. Ryan schreibt in der Einleitung:

„Dieses Buch ist die faszinierende Vorschau darauf, wie der Mensch den Weltraum erreichen und 1075 Meilen über der Erde eine riesige, radförmige Raumstation errichten kann. Was Sie hier lesen werden, ist kein fiktiver Traum. Die Kapitel enthalten die neuesten wissenschaftlichen Daten zu den zahlreichen Problemen, denen sich der Mensch gegenübersieht, wenn er zur Reise in den Weltraum aufbricht. Es umreißt ein Programm für die Eroberung des Weltraums, das von einigen der besten wissenschaftlichen Köpfe der Welt auf dem Gebiet der Weltraumforschung entwickelt worden ist… Die Behauptung, dass riesige Raketenschiffe des hier beschriebenen Typs und eine Raumstation gebaut werden können, wird von keinem ernsthaften Wissenschaftler mehr angezweifelt…

Alles, was wir noch brauchen, ist Zeit – ungefähr 10 Jahre – und Geld (etwa 4 Milliarden US-Dollar) und politische Führung… Wenn man berücksichtigt, wie viele Milliarden US-Dollar im Zweiten Weltkrieg und für die Wiederaufrüstung nach dem Koreakrieg ausgegeben wurden, ist das eine vergleichsweise kleine Summe.“((Ryan 1952, S. XII.))

Er lässt noch eine Warnung folgen, die die Regierung von Eisenhower allerdings nicht beherzigte:

„Dieses Buch mahnt die Vereinigten Staaten dringend, umgehend ein langfristiges Entwicklungsprogramm einzuleiten, um dem Westen die ,Überlegenheit im Weltraum‘ zu sichern. Eine weniger nachsichtige Macht könnte sich, wenn sie eine Raumstation besitzt, die Völker der Welt in der Tat Untertan machen. Eine von Menschen gebaute Insel am Himmel, die wie ein zweiter Mond die Erde auf einer festen Bahn umkreist, kann als Plattform zum Start von Raketen dienen… Wir wissen, dass die Sowjetunion wie die Vereinigten Staaten an der Entwicklung von Lenkgeschossen und Raketen arbeitet… Wir haben bereits miterleben müssen, dass sowjetische Wissenschaftler und Ingenieure nicht zu unterschätzen sind. Sie entwickelten die Atombombe um Jahre früher als erwartet… Wir haben Wissenschaftler und Ingenieure. Wir haben den Erfindungsgeist. Wir haben eine starke industrielle Überlegenheit. Wir sollten umgehend mit einem Weltraumprogramm beginnen. Denn in der Hand friedliebender Nationen könnte die Raumstation für die Menschheit ein Wächter am Himmel sein… Sie beendet die Zeit der Eisernen Vorhänge, wo sie auch sein mögen.“((Ryan 1952, S. XIV.))

Das reichlich bebilderte Buch beginnt mit einem Kapitel Wernher von Brauns über das Vorspiel zur Weltraumfahrt. Es würde US-amerikanischen Kongressabgeordneten und überhaupt allen Politikern gut tun, dieses Kapitel heute wieder zu lesen. Es könnte ihnen ins Bewusstsein zurückrufen, was Menschen erreichen können, wenn sie einer Vision ihrer Zukunft folgten.

Von Braun erklärt in seinem Kapitel die Gründe für eine Raumstation, „mit welcher der Mensch seinen Fuß in den Weltraum setzt.“ Dieser „künstliche Mond“, dessen Teile mit Raketen Stück für Stück in den Raum hinausgebracht und dort zusammengesetzt werden, sollte die Erde in einer Bahn von 1730 Kilometern Höhe umkreisen. Von der Station aus könne die Erde hervorragend beobachtet werden. „Von diesem Stützpunkt aus wird der Flug nach dem Mond selbst nur noch ein Schritt sein, gemessen an den Entfernungen, mit denen wir im Weltall zu rechnen haben.“((Ryan 1952, S. 12.))

„Die Entwicklung der Raumstation ist“, sagt von Braun voraus, „so unabwendbar wie der Sonnenaufgang; der Mensch hat seine Nase bereits in den Raum hinausgesteckt und wird sie nicht wieder zurückziehen“.((Ryan 1952, S. 15.)) Die geschätzten Kosten für das Projekt würden sich auf 4 Milliarden US-Dollar belaufen – „ungefähr zweimal soviel wie der Aufwand für die Entwicklung der Atombombe, aber weniger als ein Viertel des Betrags, der während der zweiten Hälfte des Jahres 1951 vom Verteidigungsministerium der USA für Kriegsmaterial ausgegeben wurde“.((Ryan 1952, S. 19.))

Raketen werden entstehen, die eine Mannschaft zusammen mit 30 bis 40 Tonnen Nutzlast zur Raumstation bringen können, schreibt von Braun. Eine solche Rakete würde aufrecht stehend etwa 80 Meter hoch sein und am unteren Ende einen Durchmesser von 20 Metern haben. Die 51 Raketenbrennkammern der ersten Stufe erzeugen einen Schub von rund 12.800 Tonnen.((Ryan 1952, S. 25.)) Im Vergleich dazu die Daten der Saturn V, welche die Apollo-Astronauten auf den Mond brachte: Sie war 111,24 Meter hoch und hatte einen Durchmesser von 9,14 Metern; die erste Stufe hatte 5 separate Brennkammern und die zweite fünf Wasserstoffbrennkammern, die zusammen einen Schub von 3,4 Millionen Kilogramm erzeugten.

Von Braun schätzte, dass zum Bau der Raumstation und einer Sternwarte in einiger Entfernung ungefähr ein Dutzend Flüge nötig seien. Chesley Bonestells Bilder gaben die Vorstellungen wieder, die man sich damals von einer Raumstation machte. Erst 1984, als Präsident Reagans Programm für eine Raumstation in die Diskussion kam, wurden modernere Planungs- und Konstruktionsaspekte berücksichtigt. Als möglichen Termin für den Bau der Station nannte von Braun das Jahr 1963.

Ley beschließt sein Buch mit folgender optimistischer Wendung:

„Zweifellos sind Bau und Betrieb einer Raumstation ein Großprojekt. Aber ein solches war auch die Entfesselung der Atomenergie, die großen Staudammprojekte von Coulee und Boulder und zu ihrer Zeit der Panama- und der Suezkanal… Noch etwas sollte man keine Minute vergessen: Die Raumstation ist oder wird der erste Schritt zur Erforschung des Weltraums sein. Bekanntlich ist immer der erste Schritt der schwierigste… Aber ist er erst einmal getan, dann nehmen die Schwierigkeiten erstaunlich schnell ab und das Tor zum Sonnensystem wird aufgestoßen.“((Ryan 1952, S. 117.))

Als zweite Folge von Collier‘s Serie in Buchform erschien 1953 Der Mensch auf dem Mond. Herausgeber Cornelius Ryan schrieb in der Einleitung, dass die Menschheit nach dem Bau einer Raumstation in 10 oder 15 Jahren „einen weiteren Schritt vorwärts gehen wird – auf den Mond“.((Ryan 1953, S. 13.))

„Die Raumschiffe, welche die Astronauten zu ihren langen Erkundungsreise durch das All benutzen werden, haben wenig mit den Beschreibungen der Science-fiction-Autoren gemein. Sie werden vielleicht noch phantastischer aussehen, nur mit dem Unterschied: sie funktionieren.

Der Leser mag wohl fragen, ob es nicht vorschnell sei, Fahrzeuge technisch detailliert beschreiben zu wollen, die mindestens noch ein Vierteljahrhundert weit vor uns liegen. Er mag sich auch fragen, ob es dann, wenn diese Fahrzeuge gebaut werden, nicht bessere technische Lösungen geben wird, als sie hier angeboten werden. Die Antwort ist natürlich: Ja! …

Das Buch will lediglich zeigen, dass eine Reise zum Mond schon jetzt möglich ist, wenn man die technischen Fähigkeiten, die uns heute zur Verfügung stehen, anwendet. Viele Bücher sind über Reisen zum Mond geschrieben worden, aber nur wenige Schriftsteller scheinen eine Vorstellung davon zu haben, was ihre Entdecker eigentlich tun sollen, wenn sie an ihrem Ziel angekommen sind. Die Autoren dieses Buches versuchen, sowohl die Wissenschaftler zu beschreiben, die an der Expedition teilnehmen, als auch die Experimente und Untersuchungen, die sie durchführen werden.“((Ryan 1932, S. 13 f.))

Ryan greift mit diesen Gedanken deutlich auf Überlegungen zurück, die Wernher von Braun und Willy Ley nur wenige Jahre zuvor entwickelt und geäußert hatten.

Die Illustrationen des Buches stellten wohl am genauesten dar, wie man sich damals ein solches Abenteuer vorstellte. „Den ersten Menschen, die auf dem Mond landen, wird sich der Anblick eines gigantischen Verfalls bieten. Bedeckt von Wüsten, rauhen Bergketten, ohne Atmosphäre, ohne Ozeane oder Vegetation wird der Mond den Besuchern als ein grässlicher Himmelskörper erscheinen.“((Ryan 1953, S. 17.)) Das klingt vielleicht ein bisschen melodramatisch, aber die Apollo-Astronauten beschrieben den luft- und leblosen Mond tatsächlich als einen solchen Ort der Leere und Trostlosigkeit.

In Der Mensch auf dem Mond wird ein Mondlandeunternehmen großartigen Ausmaßes geschildert. An seine Entwürfe reichen nur die Planungen für das „Projekt Horizont“ heran, jener wissenschaftlichen Studie, die im wesentlichen von der gleichen Autorengruppe nach den gleichen Konzepten und mit demselben Optimismus erarbeitet worden war. „So werden wir auf den Mond gelangen“, beginnt Kapitel 3. „Die erste Expedition, die aus wenigstens 50 Wissenschaftlern und Technikern besteht, tritt ihre Fahrt in drei plump aussehenden, aber äusserst leistungsfähigen Raketenschiffen (Abbildung 8.3) auf der Bahn der Weltraumstation an.“((Ryan 1953, S. 25.))

Abbildung 8.3: Die Rakete für den Flug um den Mond. In Across the Space Frontier erschien 1952 diese berühmt gewordene Zeichnung eines Raumschiffs, mit dem eine Besatzung von der Raumstation eine Fahrt um den Mond antreten sollte. Quelle: von Braun, Ley Start in den Weltraum, Fischer, 1959.
Abbildung 8.3: Die Rakete für den Flug um den Mond. In Across the Space Frontier erschien 1952 diese berühmt gewordene Zeichnung eines Raumschiffs, mit dem eine Besatzung von der Raumstation eine Fahrt um den Mond antreten sollte. Quelle: von Braun, Ley, Start in den Weltraum, Fischer, 1959.

Für den Bau der Mondschiffe werden dreistufige Versorgungsraketen mit jeweils 33 Tonnen Last in einer „Raumbrücke“ mindestens 360mal mit Baumaterial und Treibstoff von der Erde zur Raumstation fliegen. „Alles in allem brauchen wir (dafür) etwa dreimal soviel Treibstoff, wie während der Berliner Luftbrücke verflogen wurde.“((Ryan 1953, S. 29.)) Dazu wird eine Flotte von 15 Transportraketen eingesetzt, von denen jede innerhalb von acht Monaten ungefähr 24 Flüge absolvieren muss.

Abbildung 8.4: Aufsetzen des Landungsfahrzeugs. Seit Beginn der Baumfahrt ging man davon aus, dass die Raumfahrer mit einem Gleiter elegant auf der Erde landen und nicht in einer Kapsel ins Meer plumpsen würden, wie das vor dem Space Shuttle üblich war und in Russland noch heute praktiziert wird. Der hier abgebildete Gleiter war als dritte Stufe einer mehrstufigen Rakete vorgesehen, die langsamer als heutige Düsenflugzeuge landen sollte. Quelle: Cornelius Ryan, Across the Space Frontier, Sidgwick and Jackson Limited, 1952
Abbildung 8.4: Aufsetzen des Landungsfahrzeugs. Seit Beginn der Baumfahrt ging man davon aus, dass die Raumfahrer mit einem Gleiter elegant auf der Erde landen und nicht in einer Kapsel ins Meer plumpsen würden, wie das vor dem Space Shuttle üblich war und in Russland noch heute praktiziert wird. Der hier abgebildete Gleiter war als dritte Stufe einer mehrstufigen Rakete vorgesehen, die langsamer als heutige Düsenflugzeuge landen sollte. Quelle: Cornelius Ryan, Across the Space Frontier, Sidgwick and Jackson Limited, 1952

Ryan und seine Mitarbeiter wussten, welche Wirkung ein solches Abenteuer auf die Öffentlichkeit haben würde. Sie rechneten damit, dass der Start von der Raumstation zum Mond „von Millionen verfolgt werden wird… Auf der Raumstation montierte Fernsehkameras werden die Szenen in alle Welt übertragen“ (Abbildung 8.5).((Ryan 1953, S. 60.))

Die Verfasser beschreiben die Reise ganz ähnlich, wie sich heute wissenschaftliche Missionen der amerikanischen Raumfähre abspielen:

„Während der ganzen sechs Wochen unserer Expedition (auf dem Mond) wird auf der Erde eine auserlesene Schar von Fachleuten ununterbrochen tagen. Die besten Köpfe der Astronomie, Astrophysik, Geophysik, Mineralogie, Geologie und Medizin werden jeden Schritt, den wir auf dem Monde tun, durch Sprech-und Bildfunk verfolgen, um stets genau über unsere Ergebnisse unterrichtet zu sein – so wie sicherlich die ganze übrige Welt unseren Arbeiten und Abenteuern gespannt folgen wird. Nach Empfang der Gruppenberichte am Ende jeden Tages werden die Gruppenleiter auf dem Mond mit den Experten des Komitees auf der Erde konferieren. Sie werden gemeinsam neue Entwicklungen und Ziele diskutieren und Verfahren zur Bewältigung von Schwierigkeiten in allen Phasen unserer Forschungsarbeit erörtern… Manchmal werden die Experten auf der Erde die Wiederholung eines Versuchs oder eine Änderung unserer Pläne vorschlagen. So kann nahezu jeder Zweig der Wissenschaft aus unserer Forschungsarbeit vollen Nutzen ziehen.“((Ryan 1953, S. 107.))

Abbildung 8.5: Die Antriebsmanöver beim Flug von der Weltraumstation nach dem Mond. Nach dem Start von der Raumstation werden die leeren Tanks abgestoßen. In Mondnähe dreht sich das Raumschiff und benutzt zur Landung seine Bremsraketen. Bild: Cornelius Ryan, Man on the Moon, Sidgwick and Jackson Limited, 1953
Abbildung 8.5: Die Antriebsmanöver beim Flug von der Weltraumstation nach dem Mond. Nach dem Start von der Raumstation werden die leeren Tanks abgestoßen. In Mondnähe dreht sich das Raumschiff und benutzt zur Landung seine Bremsraketen. Bild: Cornelius Ryan, Man on the Moon, Sidgwick and Jackson Limited, 1953

Der Mensch auf dem Mond endet mit der Rückkehr der Astronauten zur Erde:

„Die Mitglieder des wissenschaftlichen Stabes, die uns während der Erkundung des Mondes begleitet haben, werden uns erwarten. Ohne Frage wird auch eine große Menge von Erdenbürgern zusammenkommen, um die Männer zu sehen, die als erste den alten, geheimnisvollen Boden des nächsten Himmelsnachbarn der Erde betreten haben. Wir sind die ersten gewesen – aber wir werden nicht die letzten sein.“((Ryan 1953, S. 126.))

In den Jahren 1952 bis 1954, als die Serie in Collier‘s und dann in Buchform herauskam, unternahm Willy Ley eine ausgedehnte Vortragsreise, die ihn in 40 US-Bundesstaaten und nach Kanada brachte. 1957 schildert er die damalige öffentliche Begeisterung für die Raumfahrt, zu der er selbst maßgeblich beigetragen hatte: „Wissenschaftliche Institutionen, öffentliche Vortragsveranstaltungen, Zeitschriften, Zeitungen, der Rundfunk und die Fernsehkanäle waren voll von Berichten zur Weltraumfahrt und über Satelliten.“((Ley 1957a, S. 330.))

In seinen Vorträgen erläuterte Ley die Grundlagen des Raketenbaus und des Raumfluges: „Für einen Mathematiker oder Astronauten sind diese Ausführungen ,selbstverständlich‘, aber ich habe festgestellt, dass sie für Straßenbauingenieure, Richter, Ärzte und einfach nur interessierte Laien nicht ganz so offensichtlich waren.“((Ley 1957a, S. 323.))

Walt Disney und Willy Ley erörtern im Disney-Studio ihre Filmserie über die Zukunft der Raumfahrt, die Millionen von Fernsehzuschauer erreichte. Sie soll US-Präsident Eisenhower bewogen haben, 1957 einen ersten amerikanischen Satelliten ins All zu starten. Bild: National Air and Space Museum
Walt Disney und Willy Ley erörtern im Disney-Studio ihre Filmserie über die Zukunft der Raumfahrt, die Millionen von Fernsehzuschauer erreichte. Sie soll US-Präsident Eisenhower bewogen haben, 1957 einen ersten amerikanischen Satelliten ins All zu starten. Bild: National Air and Space Museum

Die öffentliche Begeisterung über die Raumfahrt war damals so groß, dass auch die Unterhaltungsindustrie dieses Thema nicht ausklammern konnte. „Schon einmal war die Geschichte der Weltraumfahrt von der Filmindustrie beeinflusst worden. Die Geschichte sollte sich bald wiederholen“, schrieb Willy Ley.((Ley 1957a, S. 331.)) Er hatte einen Anruf von Walt Disney erhalten, der ihm vorschlug, einmal im Monat nach Kalifornien zu fahren, um als Berater an dem neuen Disneyfilm Mensch im All mitzuwirken. Ley willigte ein.

Walt Disney zeigt…

Ward Kimball, der seit den 30er Jahren mit Walt Disney zusammenarbeitete, erzählt, Walt Disney habe ihn eines Tages aufgesucht und ihn nach Ideen für ein neues Projekt („Land der Zukunft“) für seine Disneyland-Parks gefragt. Daraufhabe Kimball erwidert, er hätte einige sehr interessante Artikel über Weltraumfahrt in Collier‘s gelesen, und fuhr fort: „Ich fand es faszinierend, dass so bekannte Wissenschaftler glaubten, wir würden tatsächlich in den Weltraum vordringen“.((Stuhlinger und Ordway 1992, S. 205.)) Kimball nahm sich die Artikel aus Collier‘s noch einmal vor und arbeitete zusammen mit Graphikern Vorstellungen aus, wie sich die Zukunftsträume der Menschen veranschaulichen ließen. Er legte sie Disney am 17. April 1954 vor.

„Wir sollten aber vorsichtig sein und neben der Phantasie ernsthafte Aspekte beibehalten… Unser Ruf begründet sich auf Phantasie, aber wir sollten hier doch nur eine wissenschaftlich fundierte Darstellung bieten… Männer mit Phantasie und Männer, die mit Fakten zu tun haben, kommen zusammen, kombinieren ihre Mittel.‘

Disney war von dem, was seine Mitarbeiter vorbereitet hatten, begeistert. ,Als wir fertig waren‘, erinnerte sich (der Trickzeichner) Bosche, war Walt aus dem Häuschen. Er lief aus dem Story-Raum, blieb an einem Schreibtisch stehen und riss ein leeres Blatt von einem Notizbuch. Er reichte es Kimball und sagte etwas, was niemand ihn je hatte sagen hören: ,Stell deine Forderungen!‘ Mit dieser Unterstützung seines Chefs machte sich Kimball an die Arbeit. Er stellte sich eine dreiteilige Schau vor: Mensch im Weltraum; Der Mensch und der Mond; Der Mars und weiter. Zuerst benötigte er einige Raketen- und Weltraumexperten. Er erinnerte sich an die Collier‘s-Serie und nahm mit Willy Ley Kontakt auf, der bereitwillig seine Mitarbeit anbot. ,Willy erwies sich als die reinste Enzyklopädie‘, erinnert sich Bosche. ,Er wusste praktisch zu allem was zu sagen… Und er war ein sehr amüsanter Bursche, und wir hatten alle mächtig Spaß mit ihm!‘“((Stuhlinger und Ordway 1992, S. 205.))

Auch Wernher von Braun und Heinz Haber wurden als Berater für die Fernsehproduktion gewonnen. In der ersten Sendung traten die drei Berater zusammen mit Walt Disney und Ward Kimball auf, um den Zuschauern zu erklären, was sie erwartete. Disney hatte für die insgesamt drei Sendungen rund eine Million US-Dollar investiert.

Der Mensch im All war für die wöchentliche Disney-Fernsehshow vorgesehen, war aber als Film produziert worden, der auch in den Kinos gezeigt werden konnte. Die Erstaufführung fand am 5. März 1955 in ABC-TV statt, die damals etwa 42 Millionen Zuschauer sahen. Andere Schätzungen sprachen sogar von „fast 100 Millionen Zuschauern“.((Ordway und Liebermann 1992, S. 145.))

Der zweite Film, Mann im Mond, wurde am 28. Dezember 1955 ausgestrahlt. „Das Drehbuch verlangte nur einen zirkumlunaren Aufklärungsflug, ohne den Versuch einer bemannten Landung. Das Fehlen der Landung mag viele Zuschauer enttäuscht haben, aber es entsprach einer der Grundregeln Disneys für diese Serie: eine wissenschaftlich fundierte Darstellung.“((Stuhlinger und Ordway 1992, S. 206.))

Die dritte Folge, Zum Mars und weiter zeigte das Fernsehen am 4. Dezember 1957, genau zwei Monate nach dem Sputnik-Start. Über seine Erfahrungen mit dem Film berichtete Ernst Stuhlinger:

„[Ich] schlug für den bemannten Flug zum Mars ein Raumschiff vor, das mit Hilfe eines nuklear-elektrischen Generatorsystems elektrischen Strom produzieren würde. Der Schub würde durch einen Ionenstrom erzeugt, den ein elektrisches Feld auf eine hohe Ausströmgeschwindigkeit beschleunigt. Ein Antriebssystem dieser Art war nie zuvor gebaut worden, aber nach Meinung der Experten war das Prinzip technisch einwandfrei. Von Braun hatte keine Bedenken, es im Marsprojekt verwendet zu sehen, um so mehr als das elektrische System beträchtlich mehr Nutzlast und auch eine kürzere Reisezeit zulassen würde.“((Stuhlinger und Ordway 1992, S. 207.))

Disneys Fernsehserie hatte eine außerordentliche Wirkung auf die Zuschauer, darunter auch auf Dwight D. Eisenhower. Tatsächlich bewirkte sie eine Änderung des US-Raumfahrtprogramms. Stuhlinger erinnert sich:

„Kurz nachdem diese erste Disney-Weltraumshow dem Fernsehpublikum gezeigt worden war, ,lieh sich Präsident Dwight D. Eisenhower die Show und zeigte sie der hohen Prominenz im Pentagon‘, so David R. Smith, der Leiter der Archive der Walt Disney Productions. Sechs Wochen danach verkündete er die Absicht der Vereinigten Staaten, einen kleinen unbemannten künstlichen Satelliten in eine Umlaufbahn zu bringen.“((Stuhlinger und Ordway 1992, S. 206.))

In den fünfziger Jahren rührten die deutschen Raumfahrtpioniere die Werbetrommel für die Raumfahrt, wo sie nur konnten. Denn sie wussten, dass es ohne Unterstützung aus der Bevölkerung nicht zu einem nationalen Raumfahrtprogramm kommen würde. Willy Ley steckte mitten in diesen Aktivitäten. Sam Moskowitz schreibt darüber:

„Wo man auch ein Magazin, eine Zeitung oder einen Katalog für Raketenspielzeug aufschlug, immer stieß man auf den Namen Ley. Sein Gesicht machte einem der Fernsehschirm vertraut, seine unverwechselbare Stimme schien in allen Rundfunkstationen ständig auf Sendung zu sein, und die Plakate kündigten seine Vorträge in allen größeren Städten des Landes an.“((Moskowitz 1966, S. 42.))

Obwohl ständig unterwegs fand Ley Zeit, wissenschaftliche Bücher für Kinder zu besprechen, wobei er immer die Romane von Jules Verne als Vorbild hinstellte. Denn, so schrieb er, „alle Bücher von Jules Verne wollen belehren. Alle seine Helden hatten, wie es jemand einmal ausdrückte, eine Enzyklopädie verschlungen und spiehen nun Teile davon mit oder ohne Provokationen aus.“

Willy Leys Buch Rockets, Missiles, and Space Travel (Raketen, Geschosse und Raumfahrt) erschien erstmals 1944 unter dem Titel Rockets. 1947 kam eine erweiterte Fassung unter dem Titel Rockets and Space Travel und die Endfassung 1951 heraus. Bei jeder Neuauflage erweiterte Ley das Buch und brachte es auf den neuesten Stand. Die Auflage von 1957 erschien wenige Monate vor dem Sputnik-Schock. Das Buch ist eine geraffte Geschichte der Raumfahrt, von den ersten Anfängen im Altertum bis in die neueste Zeit, mit teilweise persönlichen Darstellungen der Raketenentwicklung seit den zwanziger Jahren.

Im letzten Kapitel („Das Raumschiff“) ehrt Ley Hermann Oberths Buch aus dem Jahr 1923, Die Rakete zu den Planetenräumen als erste wissenschaftliche Arbeit über die Möglichkeit, eine bemannte Raumstation in die Erdumlaufbahn zu bringen. „Es ist viel mehr als nur der Keim einer wissenschaftlichen Idee“, schrieb Ley, „es ist das ganze Konzept ohne die technischen Details“.((Ley 1957a, S. 366.))

Ley griff aber auch alternative Konzepte auf: „Vor allem Krafft Ehricke hat darauf hingewiesen, dass es nicht erforderlich sei, alle oberen Stufen wieder zur Erde zurückkehren zu lassen. Einige bzw. die meisten Raketen für den Fährdienst zur Raumstation könnten als reine Lastenträger ausgelegt sein.“ In diesem Fall brauchten sie keine Flügel, um wieder auf der Erde landen zu können, und sie könnten unbemannt sein. Wie Ley berichtet, „hat Wernher von Braun diese Anregung aufgegriffen und ist noch einen Schritt weiter gegangen. Bemannte Raumfähren brauchten dann nämlich keine eigene Nutzlast mit sich zu führen und könnten viel kleiner gebaut werden.“((Ley 1957a, S. 379.))

Nach dem Sputnik-Schock wandten sich viele an Ley und wollten von ihm wissen, worum es bei dem „Wettlauf im All“ überhaupt ging. In einem Artikel, der am 5. Januar 1958 in The New York Mirror erschien, setzte er sich mit dem Begriff „Überlegenheit im Weltraum“ auseinander, der in Anhörungen des Senats immer wieder gefallen war.

„Offen gesagt heißt das, dass die Russen uns daran hindern könnten, den Weltraum zu nutzen, wenn sie als erste dort wären. Es ist genauso wie früher – zunächst auf den Meeren und dann in der Luft.“ Ley erklärt dann, dass „die Überlegenheit im Weltall wohl ihren deutlichsten Ausdruck in der bemannten Raumstation findet“, und schildert in diesem Zusammenhang einige der technischen Details und Aufgaben der großen, ringförmigen Raumstation, die Wernher von Braun vorgeschlagen hatte. Zwei Wochen später schrieb Ley in der gleichen Zeitung:

„Langfristig wird die Aufgabe der Raumstation eine friedliche sein und sich nur auf Forschung und Entwicklung richten. Ihre unmittelbare und drängendste Aufgabe ist es aber, die Überlegenheit im All sichern zu helfen. Dies lässt sich durch gewissenhafte Beobachtung der Erdoberfläche erreichen. Mit geeigneten optischen Geräten kann man Gegenstände von der Größe eines kleinen Flugzeugs erkennen… Die Tatsache, dass sich kaum etwas anstellen lässt, ohne beobachtet zu werden, ist allein schon eine wirksame Abschreckung.“

Oberth kommt nach Huntsville

Parallel zu Willy Leys Bemühungen versuchte das Raketenteam in Huntsville sich ein eigenes Sprachrohr zu schaffen, um in der Bevölkerung das Interesse an der Raumfahrt wachzuhalten. 1957 wurde das SPACE Journal als „offizielles Organ der Astronomischen Vereinigung von Rocket City, einer gemeinnützigen, nichtpolitischen, auf Wissenschaft und Bildung ausgerichteten Organisation in Huntsville“, gegründet. Mitherausgeber war Mitchell Sharpe, ein Historiker und Chronist der Raumfahrt, der heute in Huntsville lebt. Dem wissenschaftlichen Beirat gehörten auch Wernher von Braun, Ernst Stuhlinger und Hermann Oberth an.

Von Braun hatte erst im Juli 1955 durchsetzen können, dass Hermann Oberth nach Huntsville kommen konnte, wo er mit Ernst Stuhlinger im Büro für Forschungsprojekte der ABMA zusammenarbeitete. Nach dem Krieg war Oberth in der Gefangenschaft verhört, dann aber wieder freigelassen worden. Er hatte zwei Jahre in der Schweiz gearbeitet und war 1950 nach La Spezia gegangen, wo er für die italienische Admiralität an einer Stickstoffrakete arbeitete. 1953 war er in sein Haus in Feucht bei Nürnberg zurückgekehrt. Ihm war allerdings bewusst, dass seine Ideen nur in Amerika eine Zukunft finden konnten.

Im Unterschied zu den USA war in Europa sehr viel bekannter, welche Beiträge Oberth zur Raketenentwicklung geleistet hatte. Im August 1950 schrieb Willy List, der Enkel des bekannten Ökonomen Friedrich List, in Oberths Namen einen Brief an den Kommandeur der US-Truppen in Deutschland. Darin heißt es:

„Getragen von dem Bestreben, den USA alle Vorteile aus den Arbeitsergebnissen des Wissenschaftlers zukommen zu lassen, … hat Professor Oberth mich ermächtigt, seine neuen Erfindungen zu nutzen. Informieren Sie sich darüber bitte in den beiliegenden Papieren! Sie werden feststellen, dass er Entdeckungen von höchster Bedeutung für die Verteidigung der USA und für den Fortschritt im allgemeinen gemacht hat… Professor Oberth ist bereit, in die USA überzusiedeln und hat mich ermächtigt, Ihnen das mitzuteilen… Ich bitte Sie, dabei sein zu können, wenn Sie mit Professor Oberth sprechen, und die dabei anfallenden Reisekosten zu tragen, da ich als Flüchtling alles verloren habe.“

Es war keine leichte Aufgabe, die Armee davon zu überzeugen, Hermann Oberth am US-Raketenprogramm zu beteiligen. Die Armee wollte die Technik weiterentwickeln, Oberths Stärke aber war es, neue Ideen hervorzubringen. Wernher von Braun gelang es jedoch, die Armee zum Einlenken zu bewegen, und Oberth arbeitete dann im Redstone-Arsenal an der Berechnung stabiler Umlaufbahnen für Satelliten und an der Weiterentwicklung des Raumspiegels.((Ordway und Sharpe 1979, S. 378 f.)) Im Juni 1957 legte er die Studie „Abschätzung von Flugzeit und -genauigkeit einer Mondrakete im Zusammenhang mit der Abschussgeschwindigkeit“ vor.

1958 lieferte Oberth einen weiteren Bericht mit dem Titel „Probleme beim und Vorschläge zum Abfangen von Satelliten durch bemannte Flugkörper“, worin er Möglichkeiten erörtert, einen Satelliten durch ein Geschoss zu zerstören, das von einem bemannten Raumfahrzeug abgefeuert wird. Wieder stieß er auf ähnliche Schwierigkeiten, wie sie ihm schon in Peenemünde zu schaffen machten: Ihm wurde, weil ihm die militärische Unbedenklichkeit nicht erteilt wurde, der Zugriff auf seine eigenen Arbeiten verweigert.

Von langfristiger Bedeutung für die Raumforschung war, dass 1957 sein zunächst auf deutsch erschienenes Buch Menschen im Weltraum in Amerika in englischer Übersetzung herauskam. Darin entwickelte er die Richtlinien für die bemannte Raumfahrt, nachdem jetzt die Raketen zur Verfügung standen, um den Menschen ins Weltall zu tragen.

Für das Training zukünftiger Astronauten, so schlug Oberth vor, könne die Technik Methoden beisteuern, „um die zu erwartenden, aber normalerweise auf der Erde und in unserer Alltagswelt nicht vorhandenen Zustände geschickt zu simulieren“.((Oberth 1954, S. 19.)) Seit seiner Jugend hatte Oberth über die biologischen Wirkungen der Schwerelosigkeit nachgedacht und sich dazu Versuche überlegt. Nun mahnte er: „Die Luftfahrtmedizin konnte parallel zur Luftfahrt entstehen; die Raumflugmedizin dagegen muss dem Raumflug vorangehen. Wenn wir die Ergebnisse der Raumflugtechnik näher betrachten, erkennen wir, dass wir keine Stunde mehr zu verlieren haben.“((Oberth 1954, S. 22.))

Mit einfachen Zeichnungen machte Oberth seine Konzepte auch dem Laien verständlich. In seinem Buch erläuterte er die Raumstation, die Raumfähren und andere Teile der Infrastruktur, die für die bemannte Raumfahrt nötig sind. Dabei ging er davon aus, dass die Eroberung des Mondes kein einmaliges Ereignis bleiben, sondern zu einer Mondkolonie führen werde.

Er schreibt dazu unter anderem:

„Immer wieder wenden sich ,Erfinder‘ an mich, die eine Raumstation für überflüssig halten und glauben, man könne Raumschiffe direkt von der Erde abfliegen lassen und nach anderen Planeten steuern. Das ist falsch. Ein Flug nach dem Mond wird viel einfacher und vor allem billiger, wenn man erst eine Weltraumstation errichtet (obgleich diese selbst eine ganze Menge Geld kosten wird) und von hier aus mit einem im Weltraum zusammengestellten Raumschiff nach dem Mond fliegt. Andere Weltkörper sind mit den gegenwärtigen Mitteln der Raketen-flugtechnik ohne eine Raumstation überhaupt nicht erreichbar.“((Oberth 1954, S. 37.))

Oberth betont, die Raumstation sei ein evolutionäres Konzept. Man beginnt mit einem unbemannten Satelliten, der sich zu einer immer komplexeren, bemannten Station ausbauen lässt. „In erster Linie soll die Weltraumstation natürlich der weiteren Weltraumfahrt dienen“, sie könnte aber auch als „gut erreichbare Tankstelle im Weltraum“ dienen.((Oberth 1954, S. 82.)) Aber

„dieser Zustand der Andruck- oder Schwerelosigkeit lässt sich andererseits auch zu physikalischen und medizinischen Experimenten benützen… (man könnte) interessante Experimente hinsichtlich des Wachstums von Pflanzen und Infusorien anstellen. Bekanntlich richten sich Pflanzen beim Wachsen nicht nur nach dem Licht, sondern auch nach der Schwerkraft. Geraten sie bei Andruckfreiheit in Verwirrung und was sind die Folgen? Die Größe der meisten Pflanzen wird durch die Schwerkraft begrenzt. Wachsen sie bei Andruckfreiheit zu Riesen heran?“((Oberth 1954, S. 85 ff.))

„Denken wir doch einmal daran, dass unsere gesamte Wissenschaft und Technik auf Vorhandensein des Andrucks aufgebaut ist“, stellt Oberth weiter fest. Im antriebslos fliegenden Raumschiff und auf der Raumstation ließen sich Phänomene wie zum Beispiel das Verhalten einer Kerzenflamme (was erst kürzlich während einer Space-Shuttle-Mission geschehen ist) sowie das Verhalten von Flüssigkeiten und Vorgänge der Materialbearbeitung untersuchen.((Oberth 1954, S. 84 ff.))

Abbildung 8.6: Oberths Weltraumhafen. Oberth entwarf 1957 eine Raumstation in großem Stil. Sie sollte als „Sprungbrett“ zur Erkundung des Sonnensystems dienen. Vorgesehen waren nicht nur Montagehallen für Raumschiffe und Unterkünfte für die Besatzung, sondern auch zahlreiche wissenschaftliche Versuchsstationen und ein Riesenteleskop. Legende: 1) Montagestation; 2) Luftschleuse; 3) Reservebehälter; 4) Roß-Smith-Arm; 5) Schirm zur Beschattung der Luftschleuse; 6) Abfallbehälter; 7, 8, 9) Drähte, an denen die Wächterbomben befestigt sind; 17) Spanndrähte; 18, 19) Wohnzellen; 20, 21) Verbindungsschacht; 22) Fahrstühle; 23) Reservebehälter; 24, 25) Beobachtungsteleskop; 26, 27, 28) Anlagen für Sonderzwecke. Quelle: Hermann Oberth, Menschen im Weltraum, Econ, 1954
Abbildung 8.6: Oberths Weltraumhafen. Oberth entwarf 1957 eine Raumstation in großem Stil. Sie sollte als „Sprungbrett“ zur Erkundung des Sonnensystems dienen. Vorgesehen waren nicht nur Montagehallen für Raumschiffe und Unterkünfte für die Besatzung, sondern auch zahlreiche wissenschaftliche Versuchsstationen und ein Riesenteleskop. Legende: 1) Montagestation; 2) Luftschleuse; 3) Reservebehälter; 4) Roß-Smith-Arm; 5) Schirm zur Beschattung der Luftschleuse; 6) Abfallbehälter; 7, 8, 9) Drähte, an denen die Wächterbomben befestigt sind; 17) Spanndrähte; 18, 19) Wohnzellen; 20, 21) Verbindungsschacht; 22) Fahrstühle; 23) Reservebehälter; 24, 25) Beobachtungsteleskop; 26, 27, 28) Anlagen für Sonderzwecke. Quelle: Hermann Oberth, Menschen im Weltraum, Econ, 1954

Oberth erläutert dann die verschiedenen Aufgaben von Raumstationen, die Forschung mit Teleskopen, Versuche mit elektrischen und nuklearen Raketenantrieben, seinen großen Raumspiegel und das phantastische Mondauto, über das er fünf Jahre später ein eigenes Buch veröffentlichte. Schließlich berichtet er, dass „sich bei mir bis jetzt schon über 2000 Freiwillige gemeldet haben“, die unbedingt in den Weltraum fliegen wollten. „Ich stehe nicht an, zu erklären, dass ich selbst gern als erster eine solche Raumfahrt unternehmen würde, auch wenn die Erfolgsaussichten 50 zu 50 stehen“, schrieb er. Seinen Blick in die Zukunft beendet Oberth mit der Frage:

„Aber wozu das alles? Wer das faustische Streben nicht kennt, dem kann man auf diese Frage nicht antworten, und wer es kennt, der weiß die Antwort selbst. Ihm ist es selbstverständlich, alles Erforschbare zu erforschen, alles Unentdeckte zu entdecken, mit den Bewohnern anderer Welten in Verbindung zu treten.“((Oberth 1954, S. 201.))

Sein Buch Das Mondauto veröffentlichte Oberth, als die Mannschaft Von Brauns den Explorer bereits in die Umlaufbahn gebracht hatte. Eine englische Ausgabe besorgte Willy Ley im Jahr 1959, als Oberth schon wieder nach Deutschland zurückgekehrt war – „Herrn Professor Dr. Wernher von Braun, dem genialen Organisator und Ingenieur, der die Ideen der Weltraumtechnik zur Tat werden ließ, in Verehrung und Dankbarkeit gewidmet!“ Oberth hatte zur Fortbewegung auf dem Mond ein phantastisches Fahrzeug entwickelt (Abbildung 8.7), das in der Lage sein sollte, über alle Hindernisse auf der Mondoberfläche hinwegzuspringen.

Als Oberth 1959 65 Jahre alt wurde, endete seine Arbeit für die US-Regierung, und nur widerwillig kehrte er nach Deutschland zurück. Dort bekam er eine Pension und setzte zu Hause seine Arbeiten und Studien fort. Sein Biograph Heinz Gartmann schreibt darüber:

„Das alte Schloss in Feucht ist fast ein Wallfahrtsort geworden. Wer an Raketen arbeitet und nach Deutschland kommt, besucht Hermann Oberth. Verleger, Redakteure, Journalisten geben sich die Klinke in die Hand… Mancher kommt nur, weil er wissen möchte, wie der Mann aussieht, dessen Wirken und Werk die Geschichte der Technik und vielleicht die künftige Geschichte unserer Welt so stark beeinflusst hat.“((Gartmann 1955, S. 134.))

Hermann Oberth starb im Dezember 1989. Ein halbes Jahr danach, im Mai 1990, erschien ein Gedenkschreiben des Peenemünde-Veterans Konrad Dannenberg, der Oberths größte Leistung in Huntsville darin sah, viele Mitglieder des Raketenteams auf neue Ideen gebracht zu haben: „Er machte aus uns Raumfahrtenthusiasten und Raketengläubige. Diese unauffälligen Beiträge Oberths zur Raumfahrt sind in meinen Augen seine größten.“

Viele der Raketenpioniere nutzten das SPACE Journal der Astronomischen Gesellschaft von Rocket City, um ihre Ideen an die Öffentlichkeit zu tragen. Ein gutes Beispiel hierfür ist eine Artikelreihe von Ernst Stuhlinger über „Das Leben auf anderen Sternen“. Stuhlinger, Jahrgang 1913, damals Forschungsleiter der ABMA in Huntsville, hatte in Tübingen in Physik promoviert und sieben Jahre lang eng mit Hans Geiger zusammengearbeitet. In Peenemünde arbeitete er an Fragen der Raketensteuerung.

In seiner Artikelserie schilderte Stuhlinger ausführlich die Entwicklung der Atmosphäre und anderer Voraussetzungen für das Leben auf der Erde. Er nahm an, dass es in unserer Milchstraße etwa 100.000 Planeten mit ähnlichen Lebensbedingungen wie auf unserer Erde gibt. „Genau diese Frage (ob es Leben auf anderen Sternen gibt) stellt sich dem Menschen, seit er wissenschaftlich denken kann“, schreibt Stuhlinger. „Sie wird mit Sicherheit nicht nur eine der spannendsten Fragen der Wissenschaft, sondern auch eine der grundlegendsten für den Menschen bleiben.“((Stuhlinger 1958, S. 22.))

Abbildung 8.7: Oberths berühmtes Mondauto. Das Mondauto sieht aus wie auf den Kopf gestellt. Auf dem kleinen Fahrgestell ruht ein gigantischer Aufbau mit Geräten. Das Fahrzeug ist so gebaut, dass es über tiefe Spalten und Risse der unebenen Mondoberfläche springen kann. Bild: Hermann Oberth, Das Mondauto, Econ, 1959
Abbildung 8.7: Oberths berühmtes Mondauto. Das Mondauto sieht aus wie auf den Kopf gestellt. Auf dem kleinen Fahrgestell ruht ein gigantischer Aufbau mit Geräten. Das Fahrzeug ist so gebaut, dass es über tiefe Spalten und Risse der unebenen Mondoberfläche springen kann. Bild: Hermann Oberth, Das Mondauto, Econ, 1959

Das einzige Raumfahrtprogramm, das bis 1960 von der Regierung Eisenhower genehmigt wurde, war das „Projekt Mercury“, womit eine Raumkapsel mit einem Mann Besatzung die Erde umrunden sollte. Aber Ley mahnte im gleichen Jahr in Space World: „Rechtzeitig vorbereitet zu sein, schadet nichts, aber nicht fertig zu sein, wenn es soweit ist, ist eine Katastrophe“. Er schreibt weiter:

„Vor einigen Wochen saß ich auf den Stufen vor meinem Haus, blickte in den Vollmond und überlegte, wie man sich auf dem Mond wohl fortbewegen werde… Die Situation ist dem heutigen Reisenden in unangenehmer Erinnerung: Nachdem er das Flugzeug verlassen hat, das ihn in vier Stunden und 40 Minuten über den ganzen Kontinent gebracht hat, steht er am Flughafen und ruft nach einem Taxi. Er muss nur noch 10 Kilometer zurücklegen, aber diese 10 Kilometer sind oft viel schwieriger zu überwinden als die vorherigen 3000.“((Ley 1960b, S. 57.))

Ley diskutiert viele Vorschläge, wie man sich auf dem Mond fortbewegen könne. So könnte insbesondere während des zwei Wochen dauernden Mondtags die Sonnenenergie genutzt werden. Ein anderer Vorschlag stammte von Wernher von Braun, der ein Fahrzeug entwarf, dessen Turbine durch den Zerfall von Wasserstoffperoxid betrieben würde, das allerdings von der Erde mitgebracht werden müsste. Weiterhin ließe sich Antriebsenergie in einem Schwungrad speichern oder die Kernenergie einsetzen. Auch Hermann Oberths Mondauto wurde erwähnt.

Anfang 1961, bevor Präsident Kennedy das Apollo-Programm verkündete, gab es nur wenige Ideen darüber, was der Mensch im All anstellen könnte. Jetzt setzte eine Wende ein. „Die Entwicklung der Fernlenkung, der Datenfernübertragung und des Fernsehens“, schrieb Ley, „drängten die ursprünglichen Vorstellungen von den Aufgaben des Menschen im All zeitweilig in den Hintergrund… Ihre eigenen Erfolge verleiteten einige Raumfahrtplaner zu dem Argument, es gäbe keinen zwingenden Grund mehr, weshalb der Mensch ins All vordringen sollte.“ Ley selbst sah das ganz anders: „Wir wissen inzwischen, dass diese Schlüsse im besten Fall überstürzt, in den
meisten Fällen aber völlig falsch waren. So manches ergebnislose Experiment eines unbemannten Satelliten hätte kein Fehlschlag zu werden brauchen, wenn Menschen an Bord gewesen wären.“((Ley 1961a, S. 22.)) Das gilt heute noch mehr als damals. Wie viele Experimente im Space Shuttle mussten während des Flugs von den Wissenschaftlern korrigiert werden, um einen Fehlschlag zu vermeiden? „Ein bemannter Satellit auf einer Erdumlaufbahn ist etwas anderes als ein Wettersatellit oder eine automatische Sternwarte oder ein Frühwarnsystem, er ist auch ein bewohntes Haus im All“, schrieb Ley.

Willy Leys Aufklärungs- und Propagandaarbeit in Wort, Ton und Bild war es wohl am meisten zu verdanken, dass sich die US-Öffentlichkeit in den fünfziger Jahren für das Raumfahrtprogramm erwärmen ließ. Er starb zwar wenige Wochen vor der Mondlandung, doch hatte er großen Anteil an ihrem Zustandekommen. Bild: National Air and Space Museum
Willy Leys Aufklärungs- und Propagandaarbeit in Wort, Ton und Bild war es wohl am meisten zu verdanken, dass sich die US-Öffentlichkeit in den fünfziger Jahren für das Raumfahrtprogramm erwärmen ließ. Er starb zwar wenige Wochen vor der Mondlandung, doch hatte er großen Anteil an ihrem Zustandekommen. Bild: National Air and Space Museum

Unmittelbar vor Leys zu frühem Tod im Juni 1969 erschien sein Buch Events in Space (Ereignisse im Weltall). Es war das erste Handbuch, das alle bemannten und unbemannten Satellitenstarts von 1957 bis 1969 auflistete.

Der Tod Willy Leys am 24. Juni 1969, weniger als einen Monat vor der geglückten Mondlandung, war ein trauriger Augenblick für die Raumfahrt. Er hatte sich schon eine Flugkarte gekauft, um nach Cape Canaveral zu fahren, um den Start von Apollo 11 mitzuerleben. In seinem Nachruf schrieb Lester del Ray:

„Es ist weitgehend Willy Ley zu verdanken, wenn die Öffentlichkeit ihre Abneigung gegen Raketen, die während des Krieges als Terrorwaffen benutzt worden waren, verlor. Er erweckte in den Leuten wieder den Traum von der Raumfahrt. Als Kennedy den Wettlauf zum Mond ankündigte, ging es auch um große Geldbeträge, die das kosten würde… Aber aus Umfragen ging hervor, dass die Menschen das Raumfahrtabenteuer unterstützten… Durch seine Artikel hatten Willy und diejenigen, die er bekehrte, irgendwie die halbe Nation überzeugt.“((Del Ray 1969, S. 156.))

Welche Zuneigung und welchen Respekt Willy Ley unter seinen Freunden hatte, wird an dem Vorschlag deutlich, den Chesley Bonestall und der Astronom Robert S. Richardson öffentlich unterstützten: ein großer Krater auf dem Mond sollte nach Willy Ley benannt werden.

Willy Ley besaß die seltene Fähigkeit, auch dem Laien die schwierigsten wissenschaftlichen Ideen zugänglich zu machen. Er betrachtete die laufenden Errungenschaften immer aus der Sicht der größten Wissenschaftler der Vergangenheit. Während eines Vortrags am Franklin-Institut in Philadelphia hatte er 1958 einmal bemerkt: „Es ist leicht, die Zukunft vorherzusagen, denn sie hat bereits seit einiger Zeit begonnen.“