Das allgemeine Bevölkerungsgesetz

Zuweilen hört man, malthusianische Fanatiker seien „aufrichtig“ und „ehrlich“. Können Sie sich folgende Unterhaltung mit einem „ehrlichen“ Malthusianer vorstellen?

Stellen Sie sich vor, Sie fragen einen solchen aufrichtigen Malthusianer: „Können Sie mir ein konkretes Beispiel dafür nennen, dass es zu viele Menschen gibt?“

Er antwortet darauf: „Natürlich. Nehmen Sie zum Beispiel meinen faulen Onkel, der wirklich zu nichts nütze ist…“

Ist dieses Beispiel übertrieben? Vergleichen Sie es mit einer tatsächlichen Äußerung von Dr. Alexander King, einem der stolzen Gründer des malthusianischen Club of Rome und ehemaligen Direktor der OECD. Dr. King hat freimütig eingestanden, dass er die Welt von den seiner Meinung nach viel zu zahlreichen dunkelhäutigen Menschen säubern will. Wie King machte auch Bertrand Russell in seinen Büchern keinerlei Hehl aus seinen rassistischen Motiven. Wie King war Russell ein geistiger Jünger des Rassismus von Cecil Rhodes und Charles Dilke.

In seinem Buch Greater Britain schrieb Dilke:

„In Amerika haben wir den Kampf zwischen den wertvollen und den wertlosen Rassen erlebt, die Bemühungen der Engländer, sich gegen die Iren und die Chinesen durchzusetzen. In Neuseeland … in Australien … in Indien, überall haben wir festgestellt, dass die Schwierigkeiten, die den Fortschritt der universellen Herrschaft des englischen Volkes behindern, im Konflikt mit den niederen Rassen begründet ist… Die höherstehenden Rassen werden eines Tages die niederen vernichten… Den Triumph wird in diesem Kampf das Sachsentum davontragen.“

Und Russell schrieb in seinem Buch Problems of China aus dem Jahre 1921:

„[D]ie weniger fruchtbaren Rassen werden sich gegen die fruchtbareren mit Methoden verteidigen müssen, die zwar abstoßend, aber notwendig sind.“

Das ist auch die Ansicht Alexander Kings und jener Kreise um das Amerikanische Museum für Naturgeschichte in New York City und die Familie Harriman, die 1932 auf einer Eugenik-Konferenz Hitlers „Rassenhygiene“ priesen. Heute wird diese Position vom Draper Fund und seinem Population Crisis Committee vertreten; es ist Dilkes „Sozialdarwinismus“ in Reinkultur. Es ist eine Politik, für die wir in Nürnberg Nazis gehängt haben.

Das also sind die Motive dieser „ehrlichen“ Malthusianer, wie sie ganz offen zugeben. Und das ist, wie die Gründer des Club of Rome beschreiben, auch ihr eigentliches Ziel. Allerdings wäre es diesen Herrschaften niemals möglich gewesen, so viele Haufen erklärte Liberale hinter sich zu bekommen, wenn sie ihre Aufrichtigkeit so offen in den Schlagzeilen der Massenmedien zur Schau gestellt hätten. Die Propaganda war weitaus geschickter; kurz gesagt, sie logen, was das Zeug hielt, wie es in dem Buch des Club of Rome Die Grenzen des Wachstums sehr anschaulich zum Ausdruck kommt.

Nehmen wir zum Beispiel das DDT-Verbot.

Die Kampagne, das DDT und andere wichtige Pestizide zu verbieten, begann mit der Veröffentlichung des Buches Silent Spring der inzwischen verstorbenen Rachel Carson.

Einer späteren Entscheidung der US-Regierung zufolge war angeblich „erwiesen“, dass DDT bestimmte Vogelarten ausrotte und andere schrecklichen Folgen habe. Es wurde auch behauptet, dass sich das DDT nicht im erforderlichen Ausmaß zersetze, sondern vielleicht sogar über Jahrhunderte hinweg die Natur vergifte und sich dabei in Pflanzen und Tieren immer mehr konzentrieren werde — das Bild, das da unter Mitarbeit amerikanischer Regierungsmitglieder gezeichnet wurde, war wirklich furchterregend. Doch es war ein Riesenschwindel. Die Regierungsmitglieder, die solche Paniknachrichten in die Welt setzten, bezogen sich auf wissenschaftliche Berichte, welche genau das Gegenteil bewiesen. Sie logen schlicht und einfach.

Die Entwicklung und breite Anwendung von DDT hatte den Sieg über zahlreiche epidemische Krankheiten ermöglicht und einen Großteil der Ernteerträge auf der ganzen Welt gerettet, so dass die Nahrungsmittelversorgung beträchtlich verbessert werden konnte. Seit dem DDT-Verbot war die Landwirtschaft gezwungen, auf Pestizide zurückzugreifen, die insbesondere bei nicht sachkundiger Anwendung für die Menschen in ländlichen Regionen weitaus gefährlicher waren. Nachdem das sichere, viel verwandte DDT nicht mehr verfügbar war, breiteten sich seit Anfang der siebziger Jahre wieder zunehmend jene alten Epidemien aus, die mit Hilfe des DDT schon besiegt waren. Die Ernteerträge gingen zurück, und die Todesrate schnellte insbesondere bei jenen Völkern in die Höhe, die Bertrand Russell als „die fruchtbareren Rassen“ verabscheute.

Mit anderen Worten: die fanatischen Malthusianer in der Umweltschutzbehörde der Vereinigten Staaten hatten zu jenen Methoden zurückgegriffen, die nach Russell zwar „abstoßend, aber notwendig“ sind.

Der uralte Schwindel des Malthusianismus, der in den Köpfen herumspukt, seit Malthus die Angriffe des Venezianers Giammaria Ortes gegen Benjamin Franklin als sein Werk veröffentlicht hatte, bestand in der ständig wiederholten Behauptung, die menschliche Bevölkerung tendiere dazu, geometrisch zu wachsen. Dagegen seien die mineralischen Rohstoffe der Welt begrenzt, und die Tier- und Pflanzenarten, die der Mensch benötigt, vermehrten sich nur arithmetisch. Dieser Schwindel wird immer wieder von Universitätsprofessoren aufgetischt; wenn sie der Lüge überführt werden, können sie sich immerhin damit verteidigen, es handle sich nicht um eine gewöhnliche Lüge, sondern um einen akademisch fundierten „wissenschaftlichen“ Schwindel.

Wir haben bereits andeutungsweise den empirischen Beweis dafür erbracht, daß diese professorale Art, für die malthusianische Lehre zu argumentieren, aufgrund der Fakten absurd ist. Die menschliche Gattung ist in ihrer Entwicklungsgeschichte bereits um mehr als zwei Größenordnungen angewachsen und kann in Kürze ein Bevölkerungspotential von drei Größenordnungen erreichen – tausendmal mehr also als die „Jäger- und Sammlergesellschaft“ . Das hätte nicht geschehen können, wenn die Versorgung mit mineralischen, tierischen und pflanzlichen Ressourcen nicht mit der „geometrischen“ Ausweitung der menschlichen Bevölkerung Schritt gehalten hätte.

Malthus‘ Irrmeinungen stammen ursprünglich weder von ihm noch von Giammaria Ortes. Erstmals wurde dieses Argument Anfang des 18. Jahrhunderts von den Jesuiten Westeuropas als axiomatische Untermauerung für die Lehre der französischen Physiokraten in Umlauf gebracht. Forschungsarbeiten meiner Mitarbeiter zufolge stammte die erste einflussreiche Schrift zu dieser Frage von dem Jesuiten Du Halde: Die Beschreibung des chinesischen Reiches. Allem Anschein nach beruht das Buch auf denselben Quellen, aus denen der Gründer der französischen Physiokratenschule, Dr. Quesnay, seine Informationen für sein Werk Despotismus in China bezog. (Anmerkung d. Red.: Die folgenden beiden Absätze sind in der deutschen Ausgabe von 1983 nicht enthalten.)

Fast zwei Jahrtausende lang sorgte das System der Mandarine dafür, dass Chinas Bevölkerung im Zuge von Hungerperioden usw. um höchstens etwa 60 Millionen Menschen schwankte, weniger als die heutige Bevölkerung Thailands und etwa die Hälfte der heutigen Bevölkerung Japans. Das war keine angeborene Eigenschaft des chinesischen Volkes. Wir wissen, dass in China schon lange vor der Han-Dynastie eine relativ fortschrittliche Bevölkerung und Kultur existierte, und wir wissen von wiederkehrenden Bestrebungen, sogar nach Bücherverbrennungen und Massenmorden an Gelehrten, Chinas Kultur u. a. mit Hilfe von Besuchen in dem von der Gupta-Periode geprägten Indien weiterzuentwickeln. Das Spionagesystem der Mandarine, unter dem jeder verpflichtet war, die Ankunft eines „Fremden“ im Dorf unverzüglich den Behörden zu melden, hielt China jedoch in einem despotischen Herrschaftssystem gefangen, in dem die Landwirtschaft mit unveränderlichen „traditionellen”, arbeitsintensiven Methoden betrieben wurde.

Die heutige Bevölkerung Festlandchinas wird auf etwa eine Milliarde Menschen geschätzt. Mit groß angelegten Infrastrukturprojekten, von denen einige schon seit fast 2000 Jahren als machbar und wünschenswert bekannt sind, und mit moderner Nuklear-, Strahlen- und Biotechnologie könnte China eine Bevölkerung von weit über zwei Milliarden Menschen versorgen. Natürlich wäre China dazu auf umfangreiche Zusammenarbeit angewiesen, aber die Projekte sind technisch durchaus realisierbar. Chinas Hauptproblem in der Hinsicht, abgesehen von äußeren Faktoren, wurde Mitarbeitern des Verfassers kürzlich von einem dortigen Beamten so erklärt: „China läuft auf zwei Beinen“ – das eine die chinesische Tradition, das andere die notwendige Nutzung „westlicher“ Technologie. Die große politische Frage für Chinas Führung ist, wie sie ein Gleichgewicht zwischen der Bewahrung der ländlichen und verwandten Traditionen und dem Einsatz „westlicher“ Technologie zur Steigerung der Arbeitsproduktivkraft herstellen kann.

Die Rolle der Jesuiten auf dem Subkontinent und im Fernen Osten während des 16. und 17. Jahrhunderts war recht unrühmlich und und nicht dazu angetan, das Ansehen des Christentums, das sie zu vertreten vorgaben, zu erhöhen. Genauso wenig ging es ihnen darum, den Völkern dieser Region die westliche Kultur nahezubringen. Die Jesuiten errangen einflussreiche Positionen am chinesischen Kaiserhof, und in einem Fall ist sogar ihre Beteiligung am Sturz einer chinesischen Dynastie belegt. Sie schlichen sich sogar in den Hof des Mogulreiches in Indien ein, was verheerende Folgen für dieses Land hatte. Was ihre religiöse Praxis betraf, so waren einige ihrer heidnischen Gebräuche so abstoßend, dass die Inquisition eingreifen musste.

Man sollte die Jesuiten nicht beschuldigen, sie hätten den Rauschgifthandel im Bereich des Indischen Ozeans, in Südostasien und China eingeführt; das Drogengeschäft geht auf arabische Händler zurück. Die Jesuiten hielten jedoch ihre schützende Hand darüber, und die holländische Ostindiengesellschaft machte daraus jenes gigantische Geschäft, das die britische Ostindiengesellschaft dann zu Zeiten von Adam Smith übernahm. Solcherart war die „Aufklärung“, die die jesuitischen Missionare von Fernost nach Westeuropa mitbrachten und womit sie die Unterstützung von Voltaire, Montesquieu, Diderot, Rousseau und den Physiokraten gewannen. Schließlich sind die Jesuiten ein direktes Produkt der Abtei Sainte-Geneviève in Paris und dienen als Geheimdienst den feudalistischen venezianischen Fondi. Von dieser wesentlichen Tatsache müssen alle Untersuchungen über den Orden und seine herrschenden politischen Praktiken ausgehen.

Nach Meinung der Physiokraten stammt der gesamte Reichtum der Gesellschaft aus dem Boden und ist so begrenzt wie die „Freigebigkeit der Natur“. Diese willkürliche, axiomatische Annahme geht mit einer zweiten Behauptung einher, einem Argument, das Adam Smiths Vorgesetzter David Hume von den Jesuiten übernahm und das später von Smith in calvinistischer Form wieder aufgegriffen wurde: Smith behauptete, die Menschen sollten sich auf das hedonistische Streben nach individuellem Vergnügen beschränken, „ohne sich darum zu besorgen, dass der große Dirigent der Natur mit ihnen jene wohltätigen Zwecke beabsichtigte.“ Hume, Smith, Bentham und viele andere rechtfertigten den afrikanischen Sklavenhandel, den Opiumhandel in China und mörderische Wuchergeschäfte mit dem Argument, der Mensch müsse seinen hedonistischen Trieben nachgehen und tun, was ihm am meisten Vergnügen bereite, ohne Rücksicht auf Moral oder Naturgesetze im Universum. Obwohl die Jesuiten vorgaben, religiös zu sein, war für sie Religion etwas rein Willkürliches, für die Vernunft Unzugängliches.

Der Fall René Descartes veranschaulicht eindrucksvoll diese jesuitische Sichtweise. Für Descartes ist das Universum ein Uhrwerk, in dem Punkte im leeren Raum herumfliegen – eine Anschauung, die für die mathematische Physik dasselbe bedeutet wie die Weltanschauung Humes, Benthams und Smith‘ für die Moral. Descartes‘ mathematische Physik lässt Gott lediglich als Schöpfer eines Uhrwerk-Universums zu, dem nach der Schöpfung nicht länger gestattet ist, sich in die Angelegenheiten dieses Universums einzuschalten, und weist ihm ansonsten einen Platz am anderen Ende jener fiktiven Telefonverbindung zu, die die Jesuiten mit Gott zu haben vorgeben. Für Descartes gibt es im Universum keinen wirkungsvollen Gott; er existiert nur in der Einbildung, wobei ihm die widersprüchlichen Vorstellungen der Jesuiten als Modell dienen. Für die Jesuiten ist Gott ein mysteriöses Prinzip im Rahmen der individuellen hedonistischen „Instinkte“, wie die „unsichtbare Hand“ von Adam Smith.

Eine solche jesuitische, empirizistische Methode lässt es nicht zu, höhere Prinzipien aus den Naturprozessen abzuleiten, und verbietet den Versuch, aus wissenschaftlichen Forschungen Lehren für die Politik und die Handlungen des Einzelnen zu ziehen. Jeder Beweis, wie treffend und überzeugend er, verglichen mit gängigen willkürlichen Annahmen wie z. B. den Annahmen der Physiokraten, auch sein mag, wird ausgeschlossen, weil sich solch ein Beweis auf die Untersuchung eines empirisch nachvollziehbaren universellen, höheren Prinzips bezöge. Tatsachen wie der Beweis, dass die Menschheit willentlich ihr Bevölkerungspotential um mehr als zwei Größenordnungen erhöht hat, werden nicht anerkannt.

Wenn ein Calvinist einen Menschen tötet, dann ist nicht der Calvinist an dessen Tod schuld. Wie Adam Smith beschreibt, haben vielmehr die instinktiven Mechanismen, mit denen der Schöpfer den Calvinisten ausgestattet hat, die Tat verursacht, und der eingetretene Tod ist mysteriöse Folgeerscheinung des göttlichen Willens, der den Calvinisten mit solchen instinktiven Anlagen ausgestattet hat. Adam Smith lehnt explizit ab, dass wir unsere sog. Instinkte kontrollieren und verändern können.

Kann man uns hier der Übertreibung bezichtigen? Kann man uns vorwerfen, wir würden Smiths Argumentation gegen die Moral an die äußerste gedankliche Grenze führen? Kann man uns entgegenhalten, dass die Calvinisten in Wirklichkeit Smiths Argumentation niemals bis zum bitteren Ende verfolgen würden?

Betrachten wir uns die „Umweltschutz“-Bewegungen von heute. Erwiesenermaßen bedeutet die Durchsetzung sog. „angepasster Technologien“ nach den Vorschlägen der Brandt-Kommission unter jenen Völkern, die Russell den „fruchtbareren Rassen“ zurechnet, einen Zusammenbruch des relativen Bevölkerungsdichte-Potenzials dieser Nationen unter das gegenwärtig existierende Niveau. Dies lässt sich einfach aufzeigen: Wir brauchen uns nur die Auslaugung des Bodens bei arbeitsintensiven Methoden mit sog. „angepassten Technologien“ in der Landwirtschaft und den Pro-Kopf-Ertrag bei arbeitsintensiven Arbeitsmethoden in verschiedenen Produktionszweigen zu betrachten. Die Fakten sind den führenden Experten der Weltbank, auf deren Initiative die Gründung der Brandt-Kommission zurückgeht, und anderen Institutionen, die eine solche Politik maßgeblich befürworten, durchaus bekannt. Eine solche Politik ist Massenmord; es gibt kein anderes Wort dafür.

Auch können die Befürworter „angepasster Technologien“, zumindest ihre führenden Vertreter, die über alle erforderlichen wissenschaftlichen Daten verfügen, nicht behaupten, sie hätten nicht gewusst, dass das Gerede von den „Grenzen des Wachstums“ ein riesiger Schwindel sei. Begehen sie also Massenmord an den „fruchtbareren Rassen“, nur weil es ihnen „Vergnügen“ macht? Jedenfalls wehren sie sich fanatisch gegen all jene, die ihnen in diesem Punkt Unmoral vorwerfen.

Sie sind bereit zu Massenmord an Hunderten von Millionen Menschen, vor allem mit wirtschaftlichen Mitteln, nur weil es ihnen Vergnügen bereitet.

Genauso verhält es sich mit der Masse der „Umweltschützer“. Sie erzählen die wildesten Lügen, doch letztendlich geht es ihnen darum, dass sie die Industriegesellschaft bzw. den technologischen Fortschritt als „psychologisch repressiv“ empfinden. Um ihre irrationalen Wünsche zu stillen, fordern sie eine Neuordnung der Welt, auch wenn dies für Milliarden von Menschen wirtschaftlichen Massenmord bedeutet.

Worin besteht aber die wissenschaftliche Wahrheit, welche die Jesuiten, Physiokraten, Calvinisten und modernen Malthusianer erst gar nicht in Betracht ziehen wollen? Im folgenden werden wir uns mit dieser positiven Seite auseinandersetzen.

Was bedeutet „geometrisches Wachstum“?

Die einfache Tatsache, dass es der Menschheit durch willentliche Anstrengungen gelungen ist, ihr Bevölkerungspotenzial um zwei Größenordnungen zu steigern, beweist zweierlei: Zum einen wird das malthusianische Argument bestätigt, wonach das menschliche Bevölkerungswachstum eine „geometrische“ Tendenz aufweist. Gleichzeitig widerlegt die Tatsache, dass dieses Wachstum möglich war, überzeugend, dass die Mittel zur Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse nur „arithmetisch“ wachsen. Das Wachstum der Bevölkerung seit 1798 beweist, dass der Mensch die Mittel selbst bestimmen kann, um einem wachsenden Pro-Kopf-Verbrauch nachzukommen, und dass diese Mittel schneller ansteigen können als die geometrisch anwachsende Bevölkerung.

Alle Informationen zeigen, dass sich jede Studie über ein Bevölkerungsgesetz vor allem auf den Begriff des „geometrischer Wachstums“ konzentrieren muss. Da das Wachstum der menschlichen Bevölkerung durch willentliche Veränderung der menschlichen Praxis erreicht wurde, müssen wir geometrisches Bevölkerungswachstum als bewusste Fähigkeit der Menschheit einstufen.

Als mathematischer Begriff trat die Vorstellung von geometrischem Wachstumsraten erstmals im 12. Jahrhundert auf. Es handelte sich um eine arithmetische Rechnung, die sog. Fibonacci-Reihe. Sie sollte das Wachstum von Tiergattungen wie der Kaninchen ohne Berücksichtigung der Todesrate messen. Wenn man die Anzahl der Toten bei jeder Generation von der Gesamtzahl der Geburten abzieht, dann bietet die Fibonacci-Reihe eine erste gute Annäherung (siehe Abbildungen 2 a und 2 b).

Abbildung 2 a. Fibonacci-Wachstum einer Tierpopulation: In diesem vereinfachten Fall geht man von der Annahme aus, dass jedes Paar (xy) zwei Generationen lang je ein Kinderpaar zur Welt bringt. Jedes dieser Paare lebt zwei Generationen und stirbt bei des Geburt des zweiten Kinderpaares. Wenn darüber hinaus jedes Kinderpaar  aus einem männlichen und einem weiblichen Tier besteht, die wiederum zwei Generationen von Kinderpaaren haben, dann entspricht das Wachstum dieser Tierpopulation der Fibonacci-Reihe.
Fibonacci-Rechtecke
Abbildung 2 b. Fibonacci-Rechtecke: Die Proportionen (kurze Seite zu langer Seite) der aufeinanderfolgenden Rechtecke nähern sich dem Verhältnis des Goldenen Schnittes.

Ende des 15. Jahrhunderts bewiesen Leonardo da Vinci und Luca Pacioli in Mailand, dass die Fibonacci-Reihe eine geometrische und nicht, wie vorher angenommen, arithmetische Reihe ist. Steigt das Bevölkerungswachstum stark an, dann nähert sich das Verhältnis der Gesamtbevölkerung zu der Bevölkerung der vorangegangenen Periode immer mehr einem Verhältnis, das wir als „Goldenen Schnitt“ bezeichnen. Durch detaillierte Beobachtungen demonstrierten Leonardo und Pacioli, dass die Wachstumsraten und die morphologischen Funktionsweisen lebender Organismen – Pflanzen, Tiere und Menschen – alle mit dem Verhältnis des Goldenen Schnitts übereinstimmen.

Der Goldene Schnitt ist das Seitenverhältnis des sogenannten „Goldenen Rechtecks“; dieses hat die besondere Eigenschaft, dass sich stets ein Rechteck gleicher Gestalt ergibt, wenn man das aus der kürzeren Seite gebildete Quadrat abzieht. Algebraisch entspricht diese Eigenschaft der Beziehung B/A = A/(BA).

Das ist keine „Zahlenmystik“. Der Goldene Schnitt entsteht in der elementaren Geometrie auf zwei Arten. Beide Konstruktionen haben den gleichen Ursprung, die gleiche Grundlage.

Ein intelligentes Schulkind von 12 oder 13 Jahren kann diese Konstruktionen bewältigen und so das zugrundeliegende Prinzip verstehen und beweisen.

Gewöhnlich assoziiert man den Goldenen Schnitt mit der Konstruktion eines regelmäßigen Fünfecks, eingeschrieben in einen Kreis.

Wir konstruieren das Fünfeck auf zwei Arten: einmal durch die einfache Konstruktion aus dem Kreis selbst (s. Abb. 3) und ein zweites Mal mit Hilfe von Dreiecken (s. Abb. 4). Es gibt noch eine zweite elementare Art, den Goldenen Schnitt zu erzeugen. Auf diese zweite Art werden wir uns nun konzentrieren, um die tiefere Bedeutung des Begriffs „geometrische Wachstumsrate“ zu erfassen.

Abbildung 3. Konstruktion des Fünfecks aus einem Kreis
Abbildung 4. Konstruktion des Fünfecks aus einem Quadrat

Wir konstruieren aus einem Kreis einen Kegel. Zum Beispiel konstruieren wir einen Kreisausschnitt, und durch den einmaligen Akt des Faltens entsteht ein neues topologisches Gebilde, ein Kegel. Auf den Kegelmantel zeichnen wir von unten nach oben auf der Außenfläche eine Linie mit konstanter Steigung (s. Abb. 5). Beobachten wir die Linie entlang der Kegeloberfläche von der Spitze zur Grundfläche des Kegels, so stellt diese Linie den Radius des ursprünglichen Kreises dar, aus dem wir den Kegel konstruiert hatten. Dieser Radius entlang der Außenfläche des Kegels überschneidet sich mit den Armen der Spirale, die um den Kegel gezogen ist. Man vergleiche nun die Längen der Strecken, welche die Arme der Spirale vom Radius abschneiden. Diese Längen verhalten sich so, dass der Linienabschnitt a zum Linienabschnitt b im selben Verhältnis steht wie Abschnitt b zu c. Dies nennt man eine selbstähnliche Beziehung, die auf verschiedene Weisen dargestellt werden kann. Die Spirale wird auch als logarithmische Spirale bezeichnet.

Abbildung 5.  Logarithmische Spirale und Goldener Schnitt

Nun stelle man sich vor, dass das Material, woraus der Kegel konstruiert wurde, durchsichtig ist. Betrachten wir den Kegel vom Boden aus. Welche Figur sehen wir, wenn wir die Spirale auf der Oberfläche des Kegels vom Boden des Kegels her betrachten? Die Projektion der dreidimensionalen Spirale auf die zweidimensionale kreisförmige Grundfläche des Kegels ist eine archimedische Spirale. Betrachten wir uns nun die Linie, die wir von der Spitze bis zur Grundfläche des Kegels gezogen hatten (s. Abb. 5). Die Längen der Linienabschnitte verhalten sich entsprechend dem Goldenen Schnitt.

Wir wollen nun denselben Kegel auf andere Art und Weise konstruieren. Wir stellen uns eine Linie vor. Sie soll die Mittelachse eines Kegels (s. Abb. 6) sein. Wir nehmen einen Punkt auf dieser Linie. Man stelle sich nun vor, dass sich entlang der Linie jeder Punkt in Distanz zu dem Punkt auf der Linie in einer Drehbewegung befindet, wobei der Rotationsradius in einem kontinuierlichen Verhältnis wächst. Bei jeder Entfernung A (die sich kontinuierlich in eine konstante Richtung entlang der Linie verschiebt) wächst der Rotationsradius im Verhältnis B, und somit ist eine vollständige Kreisbewegung entstanden. Das Ergebnis wird eine selbstähnliche Spirale auf der Oberfläche eines Kegels sein (s. Abb. 6). Man denke sich den Kegel ständig wachsend, und man bedenke das Ausmaß, mit dem der Kegel durch jede vollständige Drehung der Spirale gewachsen ist. Wir haben daher nach jeder vollständigen Drehung der Spirale die Grundfläche des wachsenden Kegels definiert. Offensichtlich sind die Proportionen solcher aufeinanderfolgenden kreisrunden Grundflächen ebenfalls selbstähnlich.

Abbildung 6. Charakteristika einer selbstähnlichen Spirale: Während einer Umdrehung wächst der Radius r1 um das Verhältnis B auf den Radius r2 und der Abstand A1 auf der Mittelachse im gleichen Verhältnis auf A2: r2/r1 = BA2/A1 .

Mit diesem Schritt haben wir die Grundlagen der Theorie der Funktionen einer komplexen Variablen vervollständigt. Die konische Funktion, die einen solchen Kegel generiert, ist die einfachste Form einer komplexen Funktion. Die Beziehungen, die hiermit zusammenhängen, enthalten drei transzendente Größenordnungsreihen. Die erste ist die transzendente Zahl Pi für die Drehung. Die zweite ist die transzendente, logarithmische Grundzahl e. Die dritte sind die trigonometrischen Funktionen, die man sich leicht vorstellen kann, wenn man den Aufriss der Spirale vom dreidimensionalen Raum auf die zweidimensionale Ebene projiziert. Die drei Formen transzendenter Zahlen sind offensichtlich im wesentlichen dieselben, sie haben einen gemeinsamen Ursprung und sind für die elementarsten Formen komplexer Funktionen charakteristisch. Vor allem sind sie alle ohne arithmetische Hilfsmittel allein mit den grundsätzlichen Methoden der geometrischen Konstruktion definiert. Aus diesem Grund sollte jedes Schulkind im Alter von 12 Jahren eigentlich die Grundlagen der Theorie einer komplexen Variablen beherrschen.

Aus Gründen, die wir nun erläutern werden, müssen alle Funktionen, die wir gerade beschrieben haben, richtigerweise negentropische Funktionen genannt werden, und alle Prozesse, die mittels solcher Funktionen umschrieben werden, sind negentropische Prozesse. Alle Projektionen solcher Funktionen sind, wie wir im Zusammenhang mit dem projektiven Ursprung der archimedischen Spirale angedeutet haben, selbstähnliche Projektionen. Für sie ist der Goldene Schnitt charakteristisch, wie es da Vinci, Pacioli und später Kepler behauptet haben. Umgekehrt sind alle solche Projektionen wiederum Reflektionen negentropischer Prozesse.

Stellen wir uns als nächstes die Projektion der Kreise vor, die, wie oben beschrieben, durch aufeinanderfolgende, vollständige Kreisbewegung der Spirale entstehen. Die zweidimensionale Projektion ist eine Reihe konzentrischer Kreise mit einem gemeinsamen Mittelpunkt (Abb. 6). Umfang und Fläche dieser konzentrischen Kreise stehen in harmonischem Verhältnis zueinander. Diese harmonischen Proportionen sind die idealen (normalen) Proportionen der Wachstumsraten aufeinanderfolgender Wachstumszyklen von Populationen von Menschen, Tieren und Pflanzen. Darin liegt in erster Näherung die Bedeutung des Begriffs „geometrisches Wachstum“.

Es gibt daher insoweit, als die menschlichen Bedürfnisse auf Tiere und Pflanzen angewiesen sind, keinen stichhaltigen Grund, Tier- und Pflanzengattungen nicht genauso wie die menschliche Bevölkerung nach geometrischen Wachstumsraten wachsen zu lassen, oder sogar noch schneller. In der Tat hat die „landwirtschaftliche Revolution“ diese Möglichkeit höchst eindrucksvoll bewiesen.

„Halt!“ werden sowohl Malthusianer als auch Physiokraten rufen. „Was ist jedoch mit dem Wachstum der Mineralien? Habt ihr nicht gerade zugegeben, dass Leonardo, Pacioli und Kepler behaupteten, die ,geometrischen Wachstumsraten‘ dieser Art bezögen sich nur auf lebende Prozesse? Was ist dann mit den Beschränkungen, die durch den Verbrauch von Mineralien entstehen?“

Schau hoch zu den Sternen, guter Mann! Schau dir die galaktische Spirale an! Fotografiere sie, wenn du den Fotos der Astronomen nicht traust. Miss die geometrische Harmonie dieser Spiralen. Ein Goldener Schnitt? Bist du schockiert, ärgerlich? Sagen wir nicht, dass das Universum als Ganzes von einem Prinzip regiert wird, das in Einklang mit lebendigen Prozessen steht?

„Das ist hylozoischer Monismus! Ich habe darüber in der Schule gelesen, als wir die vorsokratischen Philosophen behandelten! Was für einen altertümlichen, unwissenschaftlichen Unsinn versucht ihr mir weiszumachen?”

Guter Mann, das ist nichts Neues, und es stammt auch nicht aus den vorsokratischen Tiefen der wissenschaftlichen Literatur. Kepler begründete die moderne mathematische Physik, indem er bewies, dass die Planetenbahnen des Sonnensystems so angeordnet sind, dass die harmonischen Verhältnisse von Aphel und Perihel der Planeten und Monde in ihren elliptischen Umlaufbahnen dem Prinzip des Goldenen Schnitts entsprechen.

„Aber das steht in Widerspruch zum Gesetz der Erhaltung der Energie!“, magst du einwenden.

Guter Mann, sagst du nicht, dass das Universum als Ganzes, zumindest der mineralische Teil, überall vom Entropiegesetz beherrscht wird und dass Negentropie nur die Ausnahme ist? Ich sehe, du stimmst mir zu. Beweist du nicht durch dieses sogenannte Entropiegesetz, dass negentropisches Wachstum mineralischer Naturressourcen, die für lebende Prozesse notwendig sind, unmöglich ist? Du zuckst mit den Achseln und nickst; im allgemeinen stimmst du zu, doch du hast den Verdacht, dass da irgendein Trick ist, weshalb du dich auch hütest, vorbehaltlos zuzustimmen. Scheint dies nicht zu beweisen, dass die Menschheit nicht in der Lage war, ihre Bevölkerung um zwei Größenordnungen zu erweitern?

„Das ist ein Trick! Jetzt bist du der Jesuit! Erst heute stoßen wir an solche Grenzen!“

Aha, aber du stimmst meiner Beschreibung deiner Einwände zu, mit dieser Klausel hast du dich gerade einverstanden erklärt? Ich danke dir. In diesem Punkt stimmen wir überein.

Kepler und die fünf platonischen Körper

Zu Lebzeiten Platons erbrachte einer seiner Mitarbeiter, der am Amon-Tempel in der Cyrenaica tätig war, den Beweis, dass im sichtbaren (euklidischen) Raum nur fünf regelmäßige Polyeder konstruiert werden können. Platon schloss daraus, dass dies eine Begrenzung der im sichtbaren Raum möglichen Existenzformen anzeige und dass dem sichtbaren Raum deshalb ein geometrisches Prinzip zugrunde liegen müsse, welches das Auftreten geometrischer Formen, die nicht diesen Existenzbedingungen genügen, verhindert. Weil Platon diese Frage im Timaios prominent behandelt, sind diese fünf Polyeder heute allgemein als die fünf platonischen Körper bekannt.

Die fünf regelmäßigen platonischen Körper. Bild: Wikipedia/Максим Пе

Mithilfe geometrischer Entdeckungen, die Kardinal Nikolaus von Kues Mitte des 15. Jahrhunderts gelangen, rekonstruierte Leonardo da Vincis Mitarbeiter Luca Pacioli den Beweis für die Einzigartigkeit der fünf platonischen Körper. Leonardo da Vincis Arbeiten in der Hydrodynamik und Akustik, seine revolutionären Entdeckungen auf dem Gebiet der Perspektive (die projektive Geometrie), seine Studien über biologische Prozesse und Anatomie und seine Theorie des Maschinenbaus stützten sich alle auf die geometrischen Arbeiten von Kues und Pacioli. Die Arbeiten von Kues und da Vinci legten die Grundlagen für die Entwicklung der mathematischen Physik durch Johannes Kepler sowie für die systematische Entwicklungen der Geometrie, die unter Gaspard Desargues, einem französischen Zeitgenossen Keplers, einsetzten.

Johannes Kepler verwandte in Mysterium Cosmographicum die platonischen Körper, um die Abstände der Planeten in unserem Sonnensystem zu erklären.

Kepler erkannte, dass seine Arbeiten zur mathematischen Physik unvollständig geblieben waren. Zum einen nannte er die Anforderungen, die an die Entwicklung einer Differentialrechnung zu stellen wären, und zweitens erkannte er die Notwendigkeit, seine Theorie der physikalischen Geometrie zu einer detaillierten relativistischen Topologie zu vervollkommnen. Diese Herausforderung nahm G. F. Leibniz in seinen naturwissenschaftlichen Arbeiten an. (Anmerkung d. Red.: Die folgenden drei Absätze sind in der deutschen Ausgabe von 1983 nicht enthalten.)

Leibniz’ Erfolg stützte sich weitgehend auf die Arbeiten von Blaise Pascal, einem Mitarbeiter von Pierre Fermat und Nachfolger von Desargues, zur geometrischen Bestimmung von arithmetischen Differentialreihen. Karl Gauß bewies, dass Keplers Ansatz für elliptische Funktionen fundiert war, und löste weitgehend alle wesentlichen Probleme im Zusammenhang mit elliptischen Funktionen.

Dagegen hat der Fall Isaac Newton nichts mit der Entwicklung der Differentialrechnung zu tun. Newtons Entwurf erschien ein Dutzend Jahre, nachdem Leibniz seine Ergebnisse zur Veröffentlichung eingereicht hatte, und eine Kiste mit Unterlagen aus Newtons Labor, die aus dieser Zeit erhalten blieb, enthält keine Spur von Arbeiten an einer Differentialrechnung. So oder so war Leibniz’ erfolgreiche Arbeit an der Differentialrechnung ein Dutzend Jahre vor Newtons Veröffentlichung den Mitgliedern der Londoner Royal Society bekannt. Davon abgesehen ist Newtons Infinitesimalrechnung nicht einmal ein gutes Plagiat. Sie funktioniert nicht und basiert auf arithmetischen Reihen, und sie entspricht in Hinsicht auf die wesentlichen Prinzipien nicht den Vorgaben von Kepler oder Leibniz.

Der moderne Beweis für die fünf platonischen Körper ist von einem strengen Beweis abgeleitet, den Leonhard Euler, ein Leibniz-Anhänger, im 18. Jahrhundert ausarbeitete.

Die heutige Differentialtopologie ist weiter entwickelt als Leibniz‘ Analysis situs (welche die erste moderne Topologie war) und als Eulers Topologie, aber die Grundlagen sind gleich geblieben.

Drei deutsche Mathematiker brachten im dritten Viertel des 19. Jahrhunderts die Arbeiten ihrer Vorgänger auf diesem Gebiet im wesentlichen zum Abschluss: Bernhard Riemann, Karl Weierstraß und Georg Cantor. In den Grundlagen stützt sich dieser gesamte Bereich der mathematischen Physik heute auf die Arbeiten von Riemann, Weierstraß und Cantor sowie ihre direkten Vorläufer wie vor allem Legendre, Gauß und Dirichlet. Seit dem dritten Viertel des letzten Jahrhunderts wurde hier sehr wenig Neues entwickelt.

Das möge für den Augenblick als historischer Hintergrund genügen. Wenden wir uns jetzt dem Kern der Sache zu: Wie können wir Vorgänge im organischen und anorganischen Bereich durch gemeinsame physikalische Prinzipien zueinander in Beziehung setzen? Die Arbeiten von Platon, Archimedes, Kues, da Vinci, Kepler und Leibniz geben darauf im Prinzip eine grundlegende Antwort. Wie wir sehen werden, ist der Beweis elementar; vom Laien wird keine Reise durch ein Labyrinth algebraischer Formeln verlangt.

Platon löste die Aufgabe, welche die fünf platonischen Körper stellten, indem er das gleichseitige Vieleck, das einer Seite des betreffenden Polyeders entspricht, in einen Kreis einbeschrieb. Er verglich den Kreisumfang mit der Saite eines Musikinstrumentes und untersuchte, wie ein Dreieck, Viereck, Fünfeck und die anderen gleichseitigen ebenen Figuren den Kreisumfang in gleiche Bogenlängen unterteilen. Er erklärte, dass die Unterteilung durch diese Vielecke dieselben harmonischen Proportionen erzeugt, wie sie die zwölf Töne der Oktavtonleiter bilden (wie wir heute sagen). Kepler benutzte dieselbe Konstruktion, als er die Komposition der elliptischen Planetenbahnen bewies.

Weder Platons noch Keplers harmonische Werte sind völlig korrekt. Das wohltemperierte polyphonische System der 24 Dur- und Moll-Tonarten, wie es al-Farabi, Bischof Zarlino und Johann Sebastian Bach kannten, liefert die korrekten Werte für die mathematische Physik. Diese lassen sich jedoch nur durch eine elementare Kegelfunktion gewinnen, die weder Platon noch Kepler bekannt war. Ihre Ergebnisse sind aber eine gute Näherung.

Bis zur Zeit von Kues war es nicht einfach, Platons Gedankengang im Timaios zu verstehen, denn den Europäern des Mittelalters war bis dahin unbekannt, welche Geometrie zur Zeit Platons an der Akademie von Athen gelehrt wurde. Darum war schwer einzusehen, weshalb Platon geglaubt haben sollte, dass mit dem Einbeschreiben gleichseitiger Vielecke in einen Kreis irgendetwas zu beweisen sei. Was hatte das mit der Tatsache zu tun, dass im sichtbaren (euklidischen) Raum nur fünf regelmäßige Polyeder konstruierbar sind?

Die Hauptursache dieses Problems war der aristotelische Einfluss. Dessen Schriften waren zwar, abgesehen von arabischen Kommentaren, bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts im Westen unbekannt, doch war die griechische Geometrie bereits in Ägypten unter dem Einfluss der Peripatetiker, der Schüler des Aristoteles, umgeschrieben worden. Das betraf den größten Teil der an der Akademie von Athen gelehrten Geometrie; das Ergebnis waren die dreizehnbändigen Elemente, die Euklid zugeschrieben werden.

Anhand des Timaios selbst sowie anderer Quellen kann schlüssig bewiesen werden, dass die Prinzipien der Geometrie, die Kues Mitte des 15. Jahrhunderts wiederentdeckte, mit denen der Athener Akademie identisch sind. Wir wissen, dass diese klassische griechische Geometrie stark der synthetischen Geometrie ähnelte, die Jakob Steiner im 19. Jahrhundert in Deutschland entwickelte. Eine solche Herangehensweise an die Geometrie war Grundlage für die wissenschaftlichen Entdeckungen von Kues, da Vinci, Kepler, Desargues, Fermat, Pascal, Leibniz, Euler, der École polytechnique unter Gaspard Monge und Lazare Carnot, von Gauß, Jacobi, Dirichlet, Riemann, Weierstraß und Cantor. Die Grundprinzipien dieser geometrischen Methode sind Prinzipien der Entdeckung. Da es sich um elementare Prinzipien handelt, können ihnen auch intelligente Nicht-Fachleute recht einfach folgen, ohne dass sie in das komplexe mathematische Gerüst der Physik im einzelnen einsteigen müssen. Das, was wir hier zeigen wollen, kann außerdem schon mit elementaren Prinzipien der Geometrie schlüssig bewiesen werden.

Die synthetische Geometrie trägt diesen Namen, weil sie alle Axiome und Postulate der euklidischen Elemente beiseite lässt und ihre Beweise ausschließlich durch Konstruktion führt. Der wichtigste Aspekt aller synthetischen Geometrie ist der, dass die axiomatische (selbstevidente) Existenz von Punkten und Geraden über Bord geworfen wird. Nur eine Existenzform wird in der gesamten Geometrie als selbstevident anerkannt: der Kreis als Drehvorgang.

Nun kommt der schwerste und wichtigste Teil der gesamten mathematischen Physik, der aber zugleich der elementarste ist: die Tatsache, dass die kreisförmige Drehbewegung die einzige selbstevidente Existenzform im sichtbaren Raum ist.

Die Abbildung 7 von Dr. Tennenbaum zeigt zusammenfassend den Fundamentalsatz der sogenannten Differentialtopologie. Die gesamte mathematische Physik beginnt in systematischer Form mit dem Verstehen dieses elementaren Beweises. Er lässt sich von jedem intelligenten dreizehnjährigen Kind mit guter Schulbildung ohne weiteres meistern. Die Hauptpunkte des Beweises kann der Leser jetzt mit Hilfe der Zeichnung und der dazugehörigen Beschreibung nachvollziehen.

Abbildung 7. Fundamentalsatz der Differentialtopologie. Die isoperimetrische Eigenschaft des Kreises: Jakob Steiner hat, ohne die Verwendung jeglicher algebraischen Axiome, demonstriert, dass der Kreis diejenige Figur ist, welche bei einem gegebenen Umfang die größte Fläche umschließt. Wenn man annimmt, man habe eine andere Figur mit dieser Eigenschaft gefunden, dann muss diese zumindest konvex sein, denn ansonsten könnte man durch eine Verbindungslinie von A nach B die Fläche der Figur vergrößern und den Umfang verkleinern. Teilt man nun den Umfang einer konvexen Figur in zwei Teile gleicher Länge AB und BA, so kann man sie entlang der geradlinigen Verbindung von A und B in zwei Teile teilen. F’ sei nun nicht der kleinere Flächenteil der Figur. Schneidet man ihn ab und verdoppelt ihn durch eine Drehung um 180° um den Streckenmittelpunkt von AB, so erhält man eine symmetrische Figur mit dem Umfang der Ursprungsfigur, aber mit möglicherweise vergrößertem Inhalt. Falls die neue Figur nicht mehr konvex ist, kann man das mit dem ersten Konstruktionsschritt beheben. Nun konstruiere man (in der im Bild dargestellten Weise) die Punkte A, B, C, D und verbinde sie geradlinig. Falls sie eine in die Figur eingeschriebene Raute bilden, kann die Fläche der Figur durch „Aufrichten“ der Raute zu einem Quadrat vergrößert werden, ohne dass sich der Umfang ändert. Setzt man dieses Verfahren wiederholt fort, so nähert man sich immer mehr dem Kreis an und der Kreis ist die einzige Figur, welche auf diese Weise nicht weiter verbessert werden kann.

Wie die Abbildung zeigt, setzt der Beweis nichts anderes als einen einfachen Faltvorgang voraus. Das Falten ist – nicht zu vergessen – eine Drehung. Indem wir die durch Falten entstandenen Halbkreise, die jeweils einer Hälfte des Umfanges der geschlossenen Drehung entsprechen, miteinander vergleichen, entwickeln wir einen Beweis für die Einzigartigkeit des Kreises, ohne den Begriff der Geradlinigkeit oder eine selbstevidente ontologische Existenz des Punktes vorauszusetzen. Der Kreis hat von allen geschlossenen Drehungen, die eine Fläche gegebener Größe einschließen, den kleinsten Umfang.

Der nächste Schritt ist einfacher. Indem wir den Kreis einfach auf sich selbst falten, erzeugen wir eine Linie. Wir führen keinen Beweis, dass es sich um eine „Gerade“ handelt, sondern wir haben damit die Gerade definiert: Die einfache Faltung des Kreises auf sich selbst erzeugt einen Durchmesser, der den Kreis in zwei gleiche Flächen teilt, die jeweils einem halben Kreisumfang entsprechen. Eben das definiert „Geradlinigkeit“. Eine andere Definition davon ist in der Geometrie und Physik nicht zulässig. Indem wir nun den Halbkreis einmal auf sich selbst falten, definieren wir den Kreismittelpunkt. Es ist die einzige Definition des „Punktes“, die in der Geometrie und Physik zulässig ist.

Die Gerade und der Punkt sind nach dieser Definition die elementaren Singularitäten des Kreises. Sie sind die erste und zweite geometrische Ableitung des Kreises, d. h. ihre Existenz hängt von der Existenz des Kreises ab und nicht umgekehrt. Andere Definitionen des „Punktes“ und der „Geraden“ sind in der Geometrie und Physik nicht zulässig. Die Einführung zusätzlicher Axiome oder Postulate führt zu Absurditäten.

Die Geometrie beschäftigt sich fortan nicht mehr mit dem Paradox der euklidischen Elemente, wie man den Kreis mittels axiomatisch festgelegter Punkte und Geraden bestimmen kann. Die Grundaufgabe der Geometrie lautet jetzt, wie man Gerade und Punkt mittels der selbstevidenten Existenz des Kreises bestimmen kann. Das ist die Grundlage aller mathematischen Physik, und die Wiederentdeckung dieser Tatsache haben wir weitgehend Kues zu verdanken.

Wir müssen alle Konstruktionen allein mit dem Kreis und seinen primären Singularitäten ausführen, ohne willkürlich zusätzliche „Hilfsmittel“ zur Fertigstellung der Konstruktion einzuführen. Angefangen mit dem gleichseitigen Dreieck, dem Quadrat und dem gleichseitigen Fünfeck müssen wir so alle geometrischen Figuren aus dem Kreis und seinen Singularitäten konstruieren, allein unter Zuhilfenahme der Figuren, die zuvor schon nach diesen Prinzipien konstruiert wurden (siehe Abb. 8 a–d).

Abbildung 8 a. Erzeugung einer Geraden.
Abbildung 8 b. Konstruktion eines Punktes (a) und eines Rechtecks (b). Der über dem Kreisdurchmesser von zwei Sehnen aufgespannte Winkel (c) ist ein rechter.
Abbildung 8 c. Konstruktion eines Quadrats.
Abbildung 8 d. Konstruktion eines gleichseitigen Dreiecks und Sechsecks.

Nachdem wir den ganzen Bereich der zwei- und dreidimensionalen Geometrie im sichtbaren (euklidischen) Raum, der in Euklids Elementen dem Umfang nach weitgehend dargestellt ist, abgedeckt haben, können wir die Grundprinzipien der Geometrie des komplexen Bereichs herleiten: Wir konstruieren eine selbstähnliche Spirale auf einem Kegelmantel. Ist das getan, beginnen wir mit dem primären mathematischen Aspekt der Physik: Wir untersuchen, wie Konstruktionen im komplexen Bereich, d. h. komplexe Kegelfunktionen, in den Bereich der zwei- und dreidimensionalen Geometrie des sichtbaren Raumes abgebildet werden. Der Begriff projektiver Beziehungen zwischen einer komplexen und einer sichtbaren Mannigfaltigkeit führt uns zur Ausgestaltung eines Feldes der Mathematik, zu dem die Differentialtopologie gehört.

Falls es zu Platons Zeit schon ein annähernd modernes Verständnis der Geometrie des komplexen Bereichs gegeben haben sollte, so ist dem Verfasser und seinen Mitarbeitern jedenfalls nichts davon bekannt. Allerdings sind Platons wiederholte Hinweise auf die gesetzmäßigen Implikationen der Phänomene, die im sichtbaren Raum zu beobachten sind, von Bedeutung.

Platon legt Wert auf die Feststellung, dass die Welt, wie unsere Sinne sie uns vermitteln, nicht die wirkliche Welt ist, sondern nur ein verzerrtes Abbild der wirklichen Welt, als ob überall Zerrspiegel in das wirkliche Universum eingebettet wären.

Die wohltemperierten Tonarten sind ein hervorragendes Beispiel dafür. Eine selbstähnliche Spirale auf einem Kegelmantel wird auf den Grundkreis projiziert. Da die Charakteristik dieser Projektion der Goldene Schnitt ist, hat der dreidimensionale Körper, der für das Abbild verantwortlich ist, die Eigenschaften des aus gleichseitigen Fünfecken bestehenden Polyeders. Wir teilen den Grundkreis in zwölf gleiche Sektoren. Die Radien, welche die Zwölfteilung vornehmen, schneiden die Spirale auf dem Kegelmantel so, dass die Bogenlängen der Abschnitte die Verhältnisse der wohltemperierten Oktavtonleiter mit 12 Tönen und 24 Tonarten wiedergeben. Damit ist bewiesen, dass solche harmonischen Intervalle sowie jene, die durch die platonischen Körper gegeben sind (Quinte, Quarte, Terz) und ihre Umkehrungen die einzige natürliche Tonleiter und Harmonik bilden, die im Universum möglich ist; sie existierte vor dem ersten Musiker. Alle anderen Tonwerte sind Verzerrungen. Andere Prinzipien harmonischer Komposition sind keine Musik. Die Frage ist: Inwieweit haben Musiker die Maßgeblichkeit dieser Tonsysteme erkannt und inwieweit befolgen sie das Prinzip, dass nur solche harmonischen Tonfolgen Musik sind?

Die von den Sinnen wahrgenommenen „Zerrbilder“ sind in der Weise verzerrt, wie es das Beispiel der fünf platonischen Körper zeigt. Ein geometrisches Begrenzungsprinzip schränkt den Bereich dessen ein, was der sichtbare Raum für unsere Sinne abbilden kann. Was auch immer in der Realität geschieht, es wird so verzerrt, dass es in die geometrischen Konstruktionsprinzipien des sichtbaren Raums passt. Das ist der der Kern des sogenannten „platonischen Realismus“: Was wir sehen, ist ein verzerrtes Abbild der Realität, gleich den Schatten, die flackerndes Feuer an die Wand einer finsteren Höhle wirft. Die Schatten entsprechen etwas Realem, doch ihre Form entspricht nicht der wirklichen Form des Abgebildeten.

Bei Saiteninstrumenten erhält man aufeinanderfolgende Oktaven, indem man die Länge des schwingenden Teils der Saite nacheinander halbiert. Die Abstände zwischen aufeinanderfolgenden Oktaven auf einer Saite werden also immer kürzer (siehe Bild). Subjektiv jedoch hören wir alle Oktaven als musikalische Intervalle von gleichem Tonumfang. Das heißt, dass der Gehörsinn nach einem logarithmischen Prinzip funktioniert. Dies wird deutlich, wenn man die Saitenlänge als Höhenmarkierung auf einem Kegel abträgt, auf dem eine Spirale gezeichnet ist, die sich bei jeder Windung um die Hälfte des bis zur Kegelspitze jeweils verbleibenden Abstands nach oben bewegt. Jede Oktave entspricht einer 360°-Drehung der Spirale, so dass unsere subjektive Wahrnehmung Winkeln auf dem Grundkreis entspricht, die physische Saitenlänge aber der Höhe auf dem Kegel.

Da im sichtbaren Raum nur die Kreisdrehung selbstevident ist, sind die Beschränkungen der Konstruierbarkeit im sichtbaren Raum letzten Endes Beschränkungen dessen, was aus dem Kreis konstruierbar ist. Darum hatte Platon recht, als er betonte: Wenn nur fünf regelmäßige Körper im sichtbaren Raum konstruierbar seien, folge daraus, dass nur jene gleichseitigen Vielecke charakteristisch für die aus dem Kreis konstruierbaren Figuren seien, die diesen fünf Polyedern entsprechen.

Mit anderen Worten: Von den regelmäßigen Kristallstrukturen, die bei Prozessen im sichtbaren Raum auftreten, können nur jene universell sein, die sich aus der einzigartigen Beziehung zwischen dem Kreis und den daraus abgeleiteten gleichseitigen Vielecken ergeben. Diese Beziehung reflektiert am unmittelbarsten die geometrische Begrenztheit dessen, was im sichtbaren Raum existieren kann.

Das ist die ursprüngliche und richtige Bedeutung der Aussage, dass unser sichtbares Universum beschränkt, aber grenzenlos und doch auch in gewisser Weise endlich ist.

Die mathematische Physik hat, wie sich aus diesem Beweis ergibt, eine zweifache Aufgabe: Erstens müssen wir zeigen, wie eine Geometrie im Bereich komplexer Funktionen Abbilder im sichtbaren Raum hervorrufen kann. Diese projektive Verbindung muss den harmonischen Prinzipien gehorchen, die aus der Einzigartigkeit der fünf platonischen Körper folgen. Zweitens müssen wir durch Kenntnis der Eigenschaften dieser projektiven Geometrie bestimmen, welcherlei experimentelle Beobachtungen (von Phänomenen des sichtbaren Raums) geeignet sind, vermutete Grundeigenschaften der Geometrie des komplexen Bereichs zu beweisen bzw. zu widerlegen.

Seit der Wiederentdeckung des Prinzips der Kreisdrehung durch Kues stellt der gesamte Fortschritt der modernen Physik von Kues bis Riemann in den Grundlagen eine fortwährende Arbeit an diesen beiden miteinander zusammenhängenden Fragen dar.

Das Prinzip der kleinsten Wirkung

Die Kreisdrehung ist nicht nur die einzige selbstevidente Form im sichtbaren Raum, sondern zugleich die einzige Grundform physikalischer Wirkung. Wenn eine Fläche geleistete Arbeit repräsentiert, dann ist die kreisförmige Drehbewegung, welche diese Fläche einschließt, die kleinste Wirkung, die notwendig ist, um diese Arbeit zu leisten. Das ist das Grundprinzip der modernen Physik, das Prinzip der kleinsten Wirkung. Zwar wird es Leibniz zugeschrieben, doch war es bereits implizit das physikalische Prinzip von Kues, da Vinci, Kepler u. a. Synthetische Geometrie und Physik sind im Grunde genommen ein- und derselbe Gegenstand und nicht voneinander zu trennen.

Diese Verbindung der Geometrie zur Physik ist das Kernthema des Bevölkerungsgesetzes. Das Prinzip der kleinsten Wirkung ist das einzige Maß für Technologie. Da nun die Steigerung des relativen Bevölkerungsdichte-Potenzials der Menschheit ohne Fortschritte der Technologie unmöglich ist und selbst der bloße Fortbestand der zivilisierten Menschheit Fortschritte der Technologie zwingend verlangt, ist die Messbarkeit der Technologie die Kernfrage des Bevölkerungsgesetzes.

Die Wirtschaftswissenschaft, wie sie den Gründervätern der Vereinigten Staaten, Carnots École polytechnique und dem Deutschland des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts bekannt war, ist im wesentlichen das Werk von Gottfried Wilhelm Leibniz, angefangen mit seinen Thesen über die Kosten produktiver Arbeit in der kleinen Schrift Societät und Wirtschaft (1671). Leibniz definierte die Begriffe Arbeit und Leistung, wie wir sie heute in der Thermodynamik und Wirtschaftswissenschaft verwenden. Auf derselben Grundlage entwickelte Leibniz den Begriff der Technologie, der im Frankreich des 18. Jahrhunderts als Polytechnique bekannt wurde.

Leibniz‘ Ausgangspunkt bei der Entwicklung der Wirtschaftswissenschaften waren seine Arbeiten über die Wärmekraftmaschine, durch die, wie er schrieb, „ein Mensch die Arbeit von hundert bewerkstelligen kann“. Der Vergleich zwischen einem Arbeiter, der eine solche Maschine zur Verfügung hat, und einem anderen, der dasselbe Produkt ohne die Hilfe einer solchen Maschine herstellt, gibt uns die Möglichkeit, den Begriff Arbeit und ebenso den Begriff Leistung auf Maschinen anzuwenden. Es gibt aber auch den Fall, in dem zwei Maschinen, die zu ihrem Antrieb dieselbe Menge Kohle brauchen, unterschiedliches Arbeitsvermögen haben. Dieser Unterschied definiert den Grundbegriff der Technologie.

Das Grundmerkmal aller Maschinen ist Rotation, aber nicht nur die Drehbewegung als solche, denn alle Maschinenzyklen sind analytisch auf Rotation zurückführbar. Die Wärmekraft, die der Maschine zugeführt wird, erhält eine neue Wirkrichtung im Raum. Wenn man den Umfang der Arbeitsfläche verändert, z. B. durch Zahn- und Kegelradgetriebe, lässt sich die Energieflussdichte der stetigen Maschinenwirkung weit über das Maß erhöhen, das die Wärme für den Antrieb der Maschine besitzt.

Dieses Prinzip der Rotationswirkung gilt auch für den Elektromagnetismus. Eine elektromagnetische Welle ist die zylindrische Näherung der Kegelfunktion, die wir zuvor beschrieben haben. Die Sinusform idealer elektromagnetischer Strahlung, z. B. Netz-Wechselstrom, Laserstrahlung oder Trägerwellen in der Funktechnik, ist charakteristisch. Man muss sich die Sinuswelle als Spirale auf einem Zylindermantel denken, die vom dreidimensionalen Zylinder auf den zweidimensionalen Sichtschirm des Oszilloskops abgebildet wird. Es ist eine selbstähnliche Spirale aus der Familie der Kegelfunktionen, deren Negentropie scheinbar Null ist – bis wir sie gegen ein Hindernis laufen lassen, mit dem sie in harmonische Resonanz treten kann. Dann wird der bislang passive Strahl aktiv und verrichtet Arbeit.

Die Frage, wie die Wirkung chemischer Prozesse Arbeit leistet, kann bisher am unvollständigsten geometrisch beantwortet werden. Wir wissen zwar, dass es sich letztlich um elektromagnetische Prozesse handelt, doch die Beziehungen sind noch nicht ausreichend geklärt. In diesen Fällen setzen wir die geleistete chemische Arbeit ihrem mechanischen oder elektromagnetischen Äquivalent gleich, was im allgemeinen recht gut funktioniert.

Grundsätzlich ist auf alle geleistete Arbeit das Prinzip der kleinsten Wirkung anzuwenden. Wir messen Arbeit als das Äquivalent rotatorischer Wirkung, wobei wir uns darüber im klaren sind, dass rotatorische Wirkung im sichtbaren Raum das Gegenstück harmonisch geordneter konischer Wirkung im komplexen Bereich ist.

Wenn wir die Technologie der Arbeit untersuchen, dürfen wir die Wärmeenergie, die in den Prozess eingeht, nicht als Kalorienzahl messen. Denn die Wissenschaft der Technologie unterscheidet ja gerade unterschiedliches Arbeitsvermögen bei zahlenmäßig gleicher Energiezufuhr. Wir vergleichen vielmehr das scheinbare Arbeitsvermögen der Eingangsenergie in der gegebenen Form mit dem tatsächlichen Arbeitsvermögen der Ausgangsenergie.

Im allgemeinen ist es der Fall, wie bei der Erzeugung industrieller Prozesswärme oder elektrischen Stroms, dass die Ausgangsenergie, gemessen in Kilowattstunden, wesentlich geringer ist als die zugeführte Brennstoffenergie. Für die Wirtschaft wäre das ein höchst unbefriedigender Zustand, wenn das Arbeitsvermögen der kilowattstundenmäßig geringeren Ausgangsenergie nicht größer wäre als das der Eingangsenergie in der Form, in der sie eingangs vorliegt. Nicht die Wärmemenge ist für das Arbeitsvermögen ausschlaggebend, sondern vielmehr die Organisation der Wärmeenergie, die physikalische Geometrie der Ausgangsenergie, ihre Technologie.

Die physikalische Geometrie der Wärmeenergie muss im Mittelpunkt unseres Interesses stehen, doch hilft es, wenn wir die Aufgabe, Arbeit zu leisten, wie sie sich der Gesellschaft stellt, zunächst durch eine rein quantitative Erfassung der Eingangs- und Ausgangsenergie und einen Vergleich mit der tatsächlich geleisteten Arbeit definieren. Das werden wir im folgenden tun.

Gewöhnlich definiert man bei der Untersuchung eines thermodynamischen Prozesses zuerst, was unter der Nutzenergie zu verstehen sein soll, und analysiert dann die Bestandteile des Energiedurchsatzes. Im ersten Schritt beschränken wir unsere Energiedefinition auf die für uns interessanten Veränderungen. Damit wählen wir den physikalischen Phasenraum. Als zweites gilt es festzustellen, welcher Teil des Energiedurchsatzes von dem Prozess selbst verbraucht werden muss, damit er nicht zum Stillstand kommt, so wie die Feder einer mechanischen Uhr abläuft. Diesen Teil nennen wir Systemenergie. Was nach Abzug der Systemenergie noch vom Energiedurchsatz übrig bleibt, nennen wir freie Energie des Prozesses.

Nun untersuchen wir den so definierten Prozess in seinem zeitlichen Verhalten, indem wir ihn als zyklischen Prozess auffassen. Wir gehen im allgemeinen davon aus, dass die Reaktionen des Prozesses auf seine eigene Entwicklung in der untersuchten Zeitspanne von gleichbleibenden physikalischen Prinzipien bestimmt werden. Dies ist die übliche Annahme für einfache stetige Prozesse. Wir untersuchen den stetigen Prozess über aufeinanderfolgende Zyklen in erster Linie im Hinblick auf die Veränderung des Verhältnisses freier Energie zur Systemenergie.

Einen Prozess, bei dem die freie Energie negativ ist oder bei dem das Verhältnis freier Energie zur Systemenergie in einer Art fällt, welche anzeigt, daß es negativ werden wird, bezeichnen wir als entropisch. Steigt das Verhältnis, so sagen wir, der Prozess zeige „negative Entropie“ bzw. sei negentropisch.

Die einfachste Art, einen negentropischen Prozess darzustellen, haben wir bereits an einer früheren Stelle dieses Kapitels angedeutet. Im Idealfall lässt sich Entropie umgekehrt als inverse Kegelfunktion darstellen. Der Ablauf kann in Wirklichkeit komplizierter sein, doch die einfachsten Idealfälle genügen unseren augenblicklichen Anforderungen.

Bei der Wirtschaft einer menschlichen Gesellschaft ist die Systemenergie jener Teil der (physikalischen) Arbeit, die die Gesellschaft insgesamt an der Natur verrichtet, bis alles Erforderliche bereitgestellt ist, um den Rückgang des relativen Bevölkerungsdichte-Potenzials der Gesellschaft zu verhindern. Die nützliche Arbeit, die darüber hinaus geleistet wird, ist die freie Energie der Gesellschaft, ihr Betriebsreinertrag sozusagen. Der Wert der freien Energie ist die Steigerung des relativen Bevölkerungsdichte-Potenzials, die durch „Reinvestitionen“ in die Gesellschaft hervorgerufen wird.

Eine solche Herangehensweise ist zwar nützlich, aber noch nicht ausreichend.

Das relative Bevölkerungsdichte-Potenzial wird als Pro-Kopf-Wert bestimmt. Es bezieht sich auf die Gesamtzahl aller Arbeitskräfte, die eine physische Verbesserung der Natur bewirken; es bezieht sich ebenfalls auf die Arbeitskraft insgesamt, einschließlich der Verwaltung und des Dienstleistungssektors, sowie auf die Bevölkerung insgesamt. Alle diese Berechnungen sind miteinander verbunden und wichtig. Mit der Wiederanlage des Produzierten in die Gesellschaft vergrößern wir sowohl die Bevölkerung als auch ihre Aktivitäten und müssen zugleich das relative Bevölkerungsdichte-Potenzial pro Kopf steigern.

Hier taucht das Problem auf. Indem wir auf diese Weise das Pro-Kopf-Potenzial erhöhen, erhöhen wir die Systemenergie pro Kopf, wenn wir von einem im wesentlichen unveränderten Technologieniveau ausgehen. Die Gesellschaft wird eine Zeitlang wachsen und dann in eine entropische Phase stürzen: Es wird scheinen, dass der Zyklus von Wachstum und Krise zum Wesen der Wirtschaft gehört. Wenn der Pro-Kopf-Wert der erforderlichen Systemenergie steigt, während die Technologie relativ unverändert bleibt, wird der Anteil freier Energie sinken. Wird zuviel von der eigenen Substanz gezehrt, droht der Wirtschaft und der Gesellschaft der Zusammenbruch.

Dies kann nur überwunden werden, wenn die Investitionsgüter, die heute in einer durchschnittlichen Arbeitsstunde produziert werden, einen höheren Technologiestand darstellen als die Erzeugnisse einer durchschnittlichen Arbeitsstunde bei der Produktion von Investitionsgütern im vorangegangenen Produktions- und Reinvestitionszyklus.

Haben wir einmal erkannt, wie irreführend eine momentane Steigerung der Rentabilität einer Wirtschaft sein kann, wenn das Tempo des technologischen Fortschritts nicht ausreicht, dann müssen wir auch die direkte Beziehung zwischen der Zufuhr verbesserter Technologien und der Erhaltung des relativen Bevölkerungsdichte-Potenzials erkennen. Der Maßstab für das durchschnittliche Arbeitsprodukt ergibt sich nicht aus der Menge der erzeugten Güter oder ihrem Energiegehalt, gemessen in Kilowattstunden. Der einzige geeignete Maßstab ist die Menge der produzierten verbesserten Technologie.

Wir müssen Technologie als Negentropie messen. Die oben beschriebene Kegelfunktion findet hier Anwendung. Die von der Negentropie geleistete Arbeit ist die Negentropie pro Kopf der Bevölkerung. Das definiert die projizierbaren konzentrischen Kreise.

Das bedeutet: Technologische Fortschritte, die einer solchen negentropischen Funktion entsprechen, gehören zu jenem Aspekt menschlichen Wissens, der für den Fortbestand der Menschheit sorgt. Das weist auf die Notwendigkeit ständiger, aufeinanderfolgender wissenschaftlicher Durchbrüche, die im Einklang mit dem Prinzip der höheren Hypothese stehen. Der Fortbestand einer Gesellschaft über einen längeren Zeitraum hängt deshalb vom Prinzip der Entdeckung ab, von der Hypothese der höheren Hypothese. Die Vervollkommnung der Hypothese der höheren Hypothese ist die Ebene des praktischen Wissens, auf der sich die menschliche Praxis mit dem Fortbestand der Menschheit deckt. Auf dieser Ebene ist die Kausalbeziehung zwischen menschlicher Aktivität und Fortbestand der Menschheit lokalisiert. Erst auf der „Ebene“ des Wissens, auf der wir die Entdeckungsprinzipien, die eine aufeinanderfolgende Serie wissenschaftlicher Revolutionen auslösen, verbessern, steht die menschliche Aktivität in Übereinstimmung mit der wirksamen Ordnung menschlicher Existenz im Universum – und auf keiner niedrigeren Ebene.

Nehmen wir einmal an, es gebe in der Gesellschaft keinen präzisen praktischen Begriff dieses Entdeckungsprinzips, der Hypothese der höheren Hypothese. In diesem Fall würde es die Gesellschaft wahrscheinlich nicht schaffen, die nächste wissenschaftliche Revolution zu meistern, die für ihr Weiterbestehen erforderlich ist. Die Gesellschaft würde dann wie ein mechanisches Uhrwerk „ablaufen“.

Erkenntnis auf dieser Ebene, auf der Ebene der Hypothese der höheren Hypothese, entspricht der Beherrschung des Universums durch den Menschen, so dass die menschliche Erkenntnis sich mit dem ständig garantierten Fortbestehen der Menschheit deckt. Darum ist keine geringere Definition wissenschaftlicher Erkenntnis akzeptabel.

Da das Universum nur insoweit für unsere Handlungen empfänglich ist, wie unsere Willenspraxis an einer Hypothese der höheren Hypothese ausgerichtet ist, muss dies die „Ebene des Handelns“ sein, die direkt der Gesetzmäßigkeit des Universums entspricht. Damit haben wir den schlüssigen empirischen Beweis, dass erst auf dieser Ebene, und keiner niedrigeren, die Menschheit in der Lage ist, die Gesetzmäßigkeit des Universums tatsächlich zu erkennen.

Von diesem Standpunkt erarbeitete Bernhard Riemann die grundlegenden Prinzipien der Hypothese für die mathematische Physik. Und diesen Standpunkt bedachte Bertrand Russell mit einem tiefen, fanatischen und irrationalen Hass.

In der Mathematik und der mathematischen Physik sind Russells Anschauungen und Argumente schlicht und einfach absurd und werden bei jenen, die solche Anschauungen in ihrem Denken dulden, die Fähigkeit zu wissenschaftlicher Arbeit ernstlich schwächen, wenn nicht völlig zerstören. Wie kleinlich, neidisch und rachsüchtig Russell auch war, es war doch mehr als der bloße Neid eines Kleingeistes, was ihn veranlasste, Gift und Galle gegen Riemann, Weierstraß, Cantor, Gauß und Felix Klein zu speien. In Wahrheit ging es um Riemanns moralische Auffassung von der Stellung des Menschen im Universum, von der Verantwortung des Menschen, sich zu einem immer vollkommeneren Werkzeug des Logos im Universum zu entwickeln. Das schrieb Riemann ausdrücklich in einigen seiner Schriften, die erst posthum veröffentlicht wurden, doch diese Anschauung springt jedem ins Auge, der mit den wissenschaftlichen Grundzügen von Riemanns Dissertationsschrift Über die Hypothesen, welche der Geometrie zugrunde liegen (1854) vertraut ist. Schon in seiner ersten Buchveröffentlichung nahm Russell diese Schrift Riemanns zum Anlass für einen irrationalen Wutausbruch.

Riemann bewies in dieser Schrift etwas, das Gauß bereits implizit mit der Entdeckung des arithmetisch-geometrischen Mittels und seinem Werk über elliptische Funktionen gezeigt hatte.

Blicken wir erneut auf die Kegeldarstellung negentropischer Wirkung. Betrachten wir das Volumen des Kegels zwischen den Grundkreisen zweier aufeinanderfolgender Zyklen. Von irgendeinem Punkt des unteren Kreises führe man jetzt einen diagonalen Schnitt durch den Kegel bis zum gegenüberliegenden Punkt des oberen Kreises (s. Abb. 9). Dieser Schnitt ist eine Ellipse. Der hauptsächliche topologische Unterschied der Ellipse zum Kreis besteht darin, daß sie eine primäre Singularität mehr besitzt. Die Wirkung, die Negentropie erzeugt, fügt dem „System“ eine Singularität hinzu, von N zu N + 1.

Abbildung 9. Rechts Spiralmodell des Planetensystems nach Kepler. Die Planetenbahnen ergeben sich wie links dargestellt aus Projektionen der Ellipsen, die zwischen den rechts dargestellten kreisförmigen Kegelabschnitten liegen.

Das bedeutet, dass alle Wirkung im Universum implizit negentropisch ist, auch die regelmäßigen Umlaufbahnen der Himmelskörper. Diese Folgerung wird in der Astronomie durch die Vorherrschaft von Harmonieprinzipien, die mit dem Goldenen Schnitt zusammenhängen, bestätigt und von der Herleitung der Keplerschen Gesetze aus den Harmonieprinzipien des Sonnensystems, die sich insgesamt mit diesem geometrischen Prinzip decken. Daraus geht hervor, dass die zeitliche Entwicklung des Universums insgesamt negentropisch ist, im Gegensatz zur Annahme der Populärwissenschaft, nach der das Universum sich in entropischer Richtung entwickelt.

Große Infrastrukturprojekte wie oben der chinesische Dreischluchtendamm sind ebenso vonnöten wie die Erforschung und Kolonisierung des Weltraums.

Genauso wie jener Aspekt menschlicher Erkenntnis, der das Überleben der Menschheit ermöglicht, seiner Charakteristik nach negentropisch ist, ist die Gesetzmäßigkeit des Universums selbst durch Negentropie bestimmt. Durch seine willentliche Übereinstimmung mit der Gesetzmäßigkeit des Universums, d. h. durch sein Bemühen um Übereinstimmung mit dem Logos und eine entsprechend ausgerichtete Praxis, beherrscht der Mensch das Universum und wird zu einem bewussten Werkzeug des Logos.

Das menschliche Leben ist heilig, und seine Vermehrung ist nicht nur Ausdruck des universellen Gesetzes des Universums. Wenn es der Mensch nicht schafft, seine Willenspraxis mit diesem Gesetz in Einklang zu bringen, dann wird die Gesellschaft ihre Existenzfähigkeit einbüßen und zusammenbrechen, um früher oder später einer Gesellschaft Platz zu machen, die das Gebot erfüllt. Das ist das Bevölkerungsgesetz.