Nachwort

Wo wären wir heute, wenn wir den Weg eingeschlagen hätten, den die deutschen Raumfahrtpioniere schon vor fünfzig Jahren vorgezeichnet haben?

Hätten die USA jenes umfassende Weltraumprogramm in Angriff genommen, das Wernher von Braun und anderen nach der Apollo-Mission 1969 vorschwebte, gäbe es heute schon eine Siedlung auf dem Mond, würden dort Siedler Bergbau und Industrieanlagen betreiben, mit Teleskopen in neue Tiefen des Alls vordringen und damit beginnen, die Stadt Selenopolis zu erbauen, wie es sich Krafft Ehricke vorgestellt hatte.

Frachtraumschiffe mit Nuklearantrieb pendelten zwischen Erdorbit und der wachsenden Mondkolonie hin und her, wie einst Hochseeschiffe über den Atlantik die neue mit der alten Welt verbanden. Bequeme Raumtransportmittel würden den Flug in den Erdorbit zur Alltäglichkeit gemacht haben.

Schon vor zehn Jahren wären die ersten Pioniere auf dem Mars gelandet. 1993 hätte man die günstige Position zwischen Mars und Erde ausgenutzt, um zum fünften Mal eine Mannschaft mit wissenschaftlichen Instrumenten, Ausrüstungs- und Versorgungsgütern zu der kleinen Marskolonie zu schicken. Wäre man inzwischen mit dem Kernfusionsantrieb schon weiter, hätte man sich von der nur alle zwei Jahre wiederkehrenden günstigen Konstellation der Planeten lösen und die Besiedlung des Weltraums deutlich beschleunigen können.

Und unsere alte Erde? Die Menschen hier unten hätten im Zuge der Weltraumforschung entwickelte Technologien zur Verfügung und die meisten könnten heute völlig anders – und besser – leben als bisher.

Über ein weltweites Satellitensystem hätte jeder Erdenbürger Zugang zu Bildung, Kultur und gesundheitlichen Informationen. Jeder Landwirt auf der Erde könnte sich jederzeit ein detailliertes Bild vom Zustand seiner Feldfrüchte, den Verschiebungen im Wasserhaushalt und drohenden Unwettern machen. Das allein würde die weltweite Nahrungsmittelproduktion gewaltig anheben.

Mit Hilfe der von Oberth und Ehricke entworfenen Lunetta- und Soletta-Spiegeln könnten wir uns daran machen, das Wetter zu modifizieren, die Ernteperioden zu verlängern, Schäden durch plötzliche Kälteeinbrüche abzuwenden und die Dunkelheit in Ballungsgebieten oder auf dem Land zu erhellen.

Die Kernfusionsenergie, die als Antrieb der Marsraumschiffe diente, erschlösse der Menschheit eine unerschöpfliche Energiequelle und damit ganz neue industrielle Fertigungsverfahren. Laser mit unvorstellbarer Energiedichte und andere energiereiche Verfahren würden nicht nur das Abfallproblem endgültig und sauber lösen, sondern alle übrigen Produktionsverfahren revolutionieren. Erfahrungen mit der Klima- und Landschaftsbildung auf Mond und Mars würden uns nicht nur in die Lage versetzen, mit irdischen Ozonlöchern und anderen angeblichen Klimakatastrophen umzugehen, sondern auch die Wüsten zum Erblühen zu bringen und die Wachstumsbedingungen – selbst in den unwirtlichsten Gegenden – zu verbessern.

Das wichtigste Ergebnis einer solchen Entwicklung wäre vielleicht, den Menschen wieder eine Aufgabe und ein Ziel zu geben. Die Jugend würde sich wieder dafür begeistern, selbst einen Beitrag für eine bessere Zukunft zu leisten. Die Zuversicht, nicht länger auf einer begrenzten Erde eingeschlossen zu sein, sondern ins Universum vordringen zu können, um es zu erkunden und zu erschließen, würde den heute so tiefsitzenden Kulturpessimismus überwinden.

Das war es, was den Raumfahrtpionieren aus Deutschland vorschwebte: viele Welten bewohnbar zu machen, zu beweisen, dass es keine Grenzen des Wachstums gibt, und die Tür zu einem Zeitalter der Vernunft aufzustoßen. Wenn wir auch Jahrzehnte verloren haben, noch ist es dafür nicht zu spät.


Über die Autorin

Marsha Freeman
Marsha Freeman

Marsha Freeman ist Redakteurin des amerikanischen Wissenschaftsmagazins 21st Century Science & Technology. Zuvor war sie die Washington-Korrespondentin des Magazins Fusion. Seit 15 Jahren schreibt sie über wissenschaftliche Themen, vor allem über die Raumfahrt, aber auch über eine Vielzahl anderer moderner Technologien wie Kernspaltung und Kernfusion, Magnetschwebeverfahren, Magnetohydrodynamik und Supraleitfähigkeit. Marsha Freeman hat als Sachverständige vor Ausschüssen des US-amerikanischen Kongresses ausgesagt und wird im Who‘s Who in American Women aufgeführt. Sie ist gewähltes Mitglied der National Association of Science Writers und der Aviation/Space Writers Association.