Einleitung

Dieser ziemlich umfangreiche Bericht ist erforderlich wegen der Wichtigkeit und Eile, sich mit einer kaum verstandenen, jetzt aber heranstürmenden Gefahr für unsere gesamte Zivilisation zu befassen. Meine Absicht hier ist hauptsächlich die Korrektur eines bedrohlichen Mangels an allgemeiner Aufmerksamkeit für bestimmte, sehr dringende und potenziell tödliche, praktische Implikationen bei den gegenwärtig anstehenden, wahrscheinlich verfehlten Bemühungen zur Führung eines benötigten Dialogs der Kulturen. Dieser Dialog wird höchstwahrscheinlich scheitern, mit katastrophalen Folgen für die Menschheit, wenn nicht gewisse falsche, aber derzeit gängige Vorstellungen dieses Dialogs genau lokalisiert und einige dieser Irrtümer in sorgfältiger Kleinarbeit berichtigt werden, so wie ich dies hier tue.

Unsere Vorgehensweise in diesem Bericht muss in der Definition von Ursprung und Wesen der gegenwärtigen, tödlichen Bedrohung für die Zivilisation auf dem gesamten Planeten bestehen, um diese kritische Einschätzung der Irrtümer und Optionen dann für den momentan versuchten Einsatz eines Dialogs der Kulturen als eventuelles Mittel gegen diese Bedrohung bereitzustellen.

Man darf die Beteiligung an diesem Dialog allerdings nicht auf Vertreter jener weitgehend gescheiterten Generation beschränken, die in den letzten vier Jahrzehnten die Welt und ihre Nationen immer tiefer in den tödlichen kulturellen Sumpf, in dem wir heute stecken, hineingefahren hat. Wir würden unser Ziel verfehlen, wenn wir nicht auch das sagen, was insbesondere der heutigen jungen Erwachsenengeneration im Alter von 18–25 Jahren, der wir unausgesprochen die Zukunft der Menschheit anvertrauen, gesagt werden muss. Wir müssen dieser jungen Erwachsenengeneration alles sagen, was sie wissen muss. Alles, was wir sagen, geschieht vor dieser jungen Erwachsenengeneration, in deren Hände wir die Lösung des drohenden Problems legen.

Leider herrscht in den Bemühungen um einen Dialog der Kulturen, wie sie heute üblich sind, ein Hang zu Allgemeinplätzen und Sentimentalitäten. Man drückt sich vor dem unangenehm konkreten Wer, Wie, Was, Wann und Wo bestimmter, problematischer Diskussionen, die lieber vermieden statt angegangen werden. In diesem Fall weicht übertriebene Höflichkeit oft nicht nur der notwendigen Auseinandersetzung mit Problemen von „Persönlichkeiten“ aus, es fehlt auch die nötige Präzision bei der Definition konkreter Lösungen für Probleme, die offen angesprochen werden müssen, wenn man auf Dauer Fortschritte erzielen will. Die heutige Lage erfordert dringend konkrete Lösungen, auch wenn diese manchmal umstritten sind. Manchmal führt der Weg zum Sieg über steiles Gelände.

Dementsprechend werde ich nun verfahren.

Die akute Krise, die einen Dialog der Kulturen dringend erforderlich macht, kann und muss anhand einiger konkreter und zuweilen schroffer Feststellungen genau definiert werden – etwa wie folgt.

Die Zöglinge des verstorbenen Harvard-Professors William Yandell Elliott, Zbigniew Brzeziński und Samuel Huntington, haben – oft in Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Leiter des britischen Arabien-Büros Bernard Lewis – sich Pläne zur Errichtung eines faschistischen anglo-amerikanischen Weltreichs als modernes Abbild des Römischen Reichs zurechtgelegt. Diese prominenten Vertreter und andere betreiben die „Globalisierung“ als Fortsetzung von Huntingtons Entwurf in seinem idealisierten Der Soldat und der Staat((Samuel P. Huntington, The Soldier and the State: The Theory and Politics of Civil-military Relations (Cambridge: Belknap Press of Harvard University Press, 1957); The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order (New York: Simon and Schuster, 1996). )), der auf ein internationales faschistisches SS-System hinausläuft, auch wenn er dies nicht sehr glaubhaft abstreitet. Zu seinem fragwürdigen Repertoire gehören Die Krise der Demokratie, das zur Gründung der wortverdrehenden Einrichtungen „Project Democracy“ und „National Endowment for Democracy“ beitrug sowie sein Leitfaden für weltweiten Religionskrieg Kampf der Kulturen.1 Die entsprechenden außenpolitischen Schriften und Machenschaften des Gründers der Trilateralen Kommission Brzeziński entsprechen in ihren Zielen und ihrem Hang zum Bösartigen ganz denen seines langjährigen Kumpans Huntington.((Brzezińskis gegenwärtige, aus dem Nordkaukasus in die Ukraine reichenden Machenschaften, sind eine Fortsetzung seiner Rolle, die er als Nationaler Sicherheitsberater der Regierung Carter spielte, als er den Krieg gegen den, wie er es nannte, „weichen Unterleib“ der Sowjetunion in Afghanistan in Gang setzte. Diese Operation und der stark vermehrte internationale Rauschgifthandel, der als Teil der logistischen Basis dieser Operation entstand, geht heute weiter mit dem Versuch, die Ukraine und Russland durch aus dem Nordkaukasus lancierte Terroroperationen zu zerstören. Man könnte Brzeziński einen Wahnsinnigen nennen, aber Wahnsinn mindert nicht die Bedrohung der Zivilisation durch solche durch und durch verrückten römischen Kaiser wie Caligula oder Nero.))

Samuel Huntington, Soldier and the State, Zbigniew Brzezinski
Globalisierung als anglo-amerikanisches Weltreich: Samuel P. Huntington (1927–2008), Zbigniew Brzeziński (1928–2017) | Foto Brzeziński: Wikipedia/Tobias Kleinschmidt

Viele glauben fälschlicherweise, die jetzigen Pläne für eine verhältnismäßig neuartige, weltweite, neofeudale ultramontane Tyrannei wären merkwürdige Auswürfe der USA. So wie das britische Arabien-Büro eine Rippe aus dem imperialen Indien-Büro der Briten war, so entstammen die teuflischen Spielchen dieses Pärchens und ihrer Komplizen in Wirklichkeit der Tradition des Pariser Vertrags vom Februar 1763, mit dem das britische Empire geschaffen wurde. Dem Dienst dieses Imperiums hat der Altmeister der Bande von durchtriebenen Schwindlern um Brzeziński und Huntington, der rassistische Nashville-Agrarier und Harvard-Professor Elliott, sein Lebenswerk gewidmet. Es ist das Empire, gegen das der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg geführt wurde und das mehrfach versucht hat, die Vereinigten Staaten zu zerstören, meist entweder gewaltsam oder durch Unterwanderung in der Art von Professor Elliott und seiner Mannschaft heute.((Zur Zielsetzung dieses Berichts darf nie vergessen werden, dass die Konföderierten Staaten von Amerika durch eine Unternehmung Jeremy Benthams vom britischen Außenamt und seinem wichtigsten Schützling Lord Palmerston entstanden. Den Kern der entstehenden Konföderation bildete das Junge Amerika, eine Unterabteilung des Jungen Europa von Palmerstons Spion Giuseppe Mazzini. Präsident Theodore Roosevelt erhielt seine Ausbildung von seinem Onkel, dem Leiter des Nachrichtendienstes der Konföderation, dessen Hauptsitz in London war, und Präsident Woodrow Wilson, ein Anhänger des britischen Liberalismus, war unverbesserlicher Befürworter des Ku-Klux-Klan, der während seiner Amtszeit mit seiner tatkräftigen Unterstützung wiederbelebt wurde. Die Nashville-Agrarier, zu deren Führung der Harvard-Professor Elliott gehörte, wurden in den 1920er Jahren im wesentlichen von einem Kreis von Enkeln der Gründer des ursprünglichen Ku-Klux-Klan gegründet.))

Der gleiche Grundzug des Bösen wie bei Bzrezinski und Huntington findet sich im Werk der ehemaligen US-Außenministerin und Brzeziński-Freundin Madeleine Albright – und auch bei ihren Komplizen wie Richard Holbrooke –, die in ihrer Amtszeit im Balkankrieg die Rezeptur für ein „neues finsteres Zeitalter“ umsetzte. Ironischerweise hat sie zur gleichen Zeit als Außenministerin in einer Rede in New York nicht nur zugegeben, sondern sich sogar damit gebrüstet, sie und ihr Vater seien Anhänger des faschistischen britisch-imperialen Utopismus von H. G. Wells, dem Komplizen des Amerikahassers Bertrand Russell.((Rede der damaligen Außenministerin Madeleine Albright vor dem Institute of International Education in New York City, 14. Oktober 1999; vgl. H. G. Wells Die offene Verschwörung (1928). Abraham Lincolns Sieg veranlasste Britannien, seine früheren Absichten eines direkten militärischen Angriffs auf das US-amerikanische Festland aufzugeben – einmal abgesehen von dem britisch-japanischen Plan eines japanischen Angriffs auf Pearl Harbor aus den frühen 1920er Jahren für – und sich stattdessen auf Unterwanderung der Art zu verlegen, wie sie die Lehren von Bertrand Russell, H. G. Wells oder Professor Elliott verkörpern.))

Wenn ich dieser Mannschaft soviel Bedeutung zumesse, so ist das keine übertriebene Wortklauberei. Genauso wie es sich der Harvard-Professor für Politische Wissenschaften Elliott und ähnliche Leute zur Lebensaufgabe machten, die Vereinigten Staaten im Hobbesschen Magen eines künftigen britisch-imperialen Commonwealth aufzulösen, so war und ist es die erklärte Absicht Brzezińskis, Huntingtons und anderer, bei allem, was sie tun, den Nationalstaat überall auf der Erde zu zerstören – die USA eingeschlossen. All dies und noch viel mehr tun sie für die moderne Parodie einer Art imperialer Weltordnung, wie sie Lord Shelburnes Lakai Gibbon in seinem Verfall und Untergang des Römischen Reiches entwarf.

Diese imperiale Absicht äußert sich heute in dem Versuch der Rückkehr zu einer imperialen Ordnung nach dem Vorbild des ultramontanen Systems des mittelalterlichen Europa, das in der jahrhundertelangen Partnerschaft der herrschenden Finanzoligarchie Venedigs mit der für die Kreuzzüge berüchtigten normannischen Ritterschaft wurzelte. Eine solche Weltordnung zeigte sich auch bei dem Vorstoß des spanischen Großinquisitors Tomàs de Torquemada zur Erneuerung des ultramontanen Systems im Jahr 1492 – dem Vorbild für Hitlers Judenverfolgung und für die nachfolgenden Religionskriege in ganz Europa. Dies alles sollte den in der Renaissance gerade geborenen neuzeitlichen, europäischen Nationalstaat in der Wiege ersticken. Dieser ultramontane Imperialismus zeigt sich heute im Vorstoß zur „Globalisierung“ – einer gegen die Vereinigten Staaten gerichteten imperialistischen Doktrin, mit der die Tradition des Westfälischen Friedens von 1648 ausgelöscht werden soll.((Dafür stehen auch Lynne Cheneys Verbindungen zum britisch-liberalen Imperialismus; sie erinnert an Mary Wollstonecraft Shelley, weil sie ihrerseits ihr kaugummikauendes Frankensteinmonster, ihren fanatisch imperialistischen, neokonservativen Golem und Vizepräsidenten Dick Cheney sozusagen aus dem Schlamm eines Fußballfeldes erschuf.)) Führende Kreise, die dies vertreten, sollten es nach ihren Erfahrungen mit Adolf Hitlers Unternehmungen eigentlich besser wissen.

Wie die immer noch relevanten Schriften des Martinisten und Freimaurers Graf Joseph de Maistre, Erfinder des räuberischen gallischen Tyrannen und Romantikers Napoleon Bonaparte,((Siehe The Children of Satan, LaRouchePAC, 2004. Die Ähnlichkeit der Gallikanischen Kirche von Kaiser Napoleon Bonaparte zu der des „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. sind Bestandteil eines bis heute immer wiederkehrenden, romantischen, gewissermaßen „Fronde-artigen“ verderblichen Zuges in der französischen Kultur.)) verdeutlichen, ist das Torquemada-Modell Ursprung der Entstehung des modernen Faschismus, mit Kreaturen wie dem späten Benito Mussolini oder Adolf Hitler. Brzeziński und Huntington marschieren, mit dem Geiste Professor Elliotts vereint, in der gleichen Tradition.

Tomas de Torquemada, Benito Mussolini, Adolf Hitler
Die faschistische Tradition Europas: Tomás de Torquemada (1420–1519), Benito Mussolini (1883–1945), Adolf Hitler (1889–1945) | Foto Hitler: Deutsches Bundsarchiv

Als Teil des Kampfes gegen das sich ausbreitende Übel des Religionskrieges, wie ihn Brzeziński, Huntington und andere heute verfolgen, unternehmen die Gegner ihrer Pläne wie Papst Johannes Paul II. neue Anstrengungen für eine wahrhaft agapische ökumenische Bruderschaft der großen Weltreligionen. Sie erneuern damit die Bemühungen führender Köpfe der Katholischen Kirche wie Kardinal Nikolaus von Kues während der europäischen Renaissance des 15. Jahrhunderts.((Siehe Nikolaus von Kues, De pace fidei. Die Agape, von der Sokrates in Platons Staat spricht, ist dieselbe Agape wie die des christlichen Apostels Paulus in I. Korinther 13 und des Verfassungsprinzips des Leibnizschen „Strebens nach Glück“, wie in der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung sowie der Präambel der Verfassung der USA von 1787 bis 1789 zu finden ist.)) Andere haben die Aufgabe neu definiert als Unterstützung für einen „Dialog der Kulturen“, aber der Wandel der Bezeichnung bedeutet eigentlich für die europäische Politik nichts Neues, außer einer größeren Reichweite: Er zwingt den Dialog nur zurück zu derselben Kategorie wie den alten Vorschlag des Nikolaus von Kues, eines „Frieden im Glauben“ zwischen Christen, Juden und Muslimen, wenn auch auf breiterer Grundlage.((De pace fidei von Nikolaus von Kues steht in Einklang mit seinem europaweiten Eintreten für die transozeanische Ausweitung über den Atlantik und in den Indischen Ozean. Es war das persönliche Werk des Cusaners und seiner unmittelbaren Mitarbeiter, das Christoph Kolumbus’ Plan zu seiner Wiederentdeckung Amerikas inspirierte und leitete. U.a. deshalb hat die venezianische Oligarchie Kues von damals bis zum heutigen Tag, wie die Schriften Francesco Zorzis, dem venezianischen Eheberater Heinrichs VIII., belegen, gehasst.))

Man versteht besser, was die ökumenischen Bemühungen der führenden Köpfe der europäischen Renaissance des 15. Jahrhunderts für die heutige Auseinandersetzung bedeuten, wenn man besonders betont, wie Großinquisitor Torquemada gegen die Ökumene der christlichen Kirche eines Cusanus aus der Mitte des 15. Jahrhunderts blutig vorgegangen ist.

Torquemada verließ sich auf den Rassenhass als ideologische Waffe, wie ihn auch Huntington und Konsorten schüren, was typisch sowohl für das alte Römische Reich als auch für den mittelalterlichen Ultramontanismus der venezianischen Finanzoligarchie und der normannischen Ritterschaft mit den Kreuzzügen war. Durch die Ausweisung der Juden aus Spanien 1492 entfesselte Torquemada eine Zeit von Religionskriegen; die nachfolgenden religiösen Bruderkriege gegen den modernen, souveränen Nationalstaat der Renaissance beherrschten den gesamten Zeitraum von 1511 bis zum Westfälischen Frieden 1648. Heute bildet das die Grundlage für die Absicht, das Erbe des Westfälischen Friedens zu entwurzeln und auszurotten; praktisch ist es der Drang zu einem faschistischen Weltreich, wie er sich in den Thesen eines Brzeziński oder Huntington ausdrückt. Der gegenwärtige Feldzug für die „Globalisierung“, gegen die Ordnung des Westfälischen Friedens, ist der kulturelle Ausdruck dafür, dass die Welt in ein neues finsteres Zeitalter abzugleiten droht.

Die gegenwärtige Lage

Es gibt nur einen Weg, durch den die Teilnehmer einer konzertierten Anstrengung nationaler Kulturen beurteilen könnten, in welche Art von Zukunft die vorgeschlagenen Impulse führen. Sie müssten die weltweiten qualitativen Veränderungen verfolgen und beurteilen, durch die die eigenen Impulse neuartige mörderische Konflikte heraufbeschwören, die man doch gerade verhindern wollte. Es stellt sich also die Frage: Wie müssen wir unter Berücksichtigung dieser Überlegungen die gemeinsamen Ansichten beurteilen und verändern?

Die Aufgabe, die diese Frage beinhaltet, wäre z. B. das physische Resultat sichtbar zu machen, das während einer geschätzten Testperiode von nicht weniger als zwei zukünftigen Generationen zu erwarten wäre – von der Geburt eines Kindes heute bis zur Geburt von dessen Enkelkind. Unter den jetzigen Bedingungen gäbe es wahrscheinlich in jeder ökumenischen Übereinkunft zwischen Nationen, auf die sich heute bestehende Institutionen einigen würden, einige Dinge, die zukünftige Generationen aus guten Gründen verfluchen würden.

Zum Beispiel das Ergebnis der Gründung des Völkerbunds war ironischerweise so etwas. Der Völkerbund hatte sich in weniger als einer Generation gründlich diskreditiert und trug sogar maßgeblich dazu bei, dass es zum Zweiten Weltkrieg kam. Ähnliches gilt für die Arbeit der Organisation der Vereinten Nationen (UNO), die zwar wesentlich nützlicher war als der Völkerbund – einige Male sogar unabdingbar –, die aber heute, zwei Generationen nach ihrer Gründung, an der Verwirklichung ihrer vor fast 60 Jahren gesetzten grundsätzlichen Hauptziele kläglich gescheitert ist, wie der Fall des Irak es heute zeigt.

Beispielhaft für die enttäuschende Arbeit der UNO war die Entscheidung des anglo-amerikanischen Establishments und anderer Mitte bis Ende der 60er Jahre, sich in eine „nachindustrielle“, utopische Zukunft zu stürzen. Diese Entscheidung für die „ökologische Ökumene“, wie sie sich im Zeitraum von 1964-81 entfaltete, war die Hauptursache, der entscheidende kulturelle Wertewandel, der uns heute an die Schwelle des selbstverschuldeten Untergangs der amerikanischen und europäischen Volkswirtschaften gebracht hat. Nun drohen die kettenreaktionsartigen Folgen der damaligen Entscheidung die ganze Welt in ein neues finsteres Zeitalter zu stürzen.

Es sollte offensichtlich sein, dass dieser Hang zur Gegenkultur auch eine tödliche Gefahr für jeden „Dialog der Kulturen“ ist, weil dieser höchstwahrscheinlich an den selbsterzeugten Widersprüchen zugrundegehen würde. Das ist aber nur ein Aspekt der größeren Hindernisse, die sich bei den heutigen Versuchen eines erfolgreichen Dialogs der Kulturen auftun. Es sind hauptsächlich Hindernisse von zweierlei Art.

Der erste allgemeine Fehler fast aller Utopisten unterschiedlicher Spielart bei solchen Versuchen ist, dass sie von Anfang an davon ausgehen, die beste Übereinkunft wäre eine Art Minestrone, indem man wie bei einer bunten italienischen Suppe ganz „demokratisch“ die Vorschläge aller Teilnehmer zusammenmischt. Die Übereinkunft soll möglichst wenig kulturellen und sonstigen Widerspruch durch die vorgeformten Meinungen der anderen erregen.

Bei einem solchen Hang zur Sophisterei – manchmal wird das „Demokratie“ genannt((Das klassische Beispiel der Gleichsetzung von „Demokratie“ und „Sophisterei“ ist der Fall der selbsternannten Demokratischen Partei Athens, die den Justizmord an Sokrates verübte – ein Mord im Namen der Verteidigung der „fundamentalistischen“ religiösen Überzeugungen jener Zeit und Lokalität.)) – wurden die entscheidenden Dinge – ob etwa tradierte kulturelle Impulse einer bestimmten Nation wenig tauglich für das Funktionieren dieser Nation sind – niemals wirklich wissenschaftlich hinterfragt. Wenn man so fortfährt, würde am Ende ein Pakt wie unter gegnerischen Anwälten entstehen, ohne jede tiefere Grundlage im Naturrecht (der Begriff wird von mir weiter unten dargelegt). In einem so geordneten Dialog der Kulturen wird die Auseinandersetzung um so deutlicher in neuer Form zutagetreten, je mehr man sie scheinbar beigelegt hatte. Allgemein besteht heute der Fehler darin, die Wissenschaft aus der Sicht der Tradition an sich zu beurteilen, statt aus angemessener wissenschaftlicher Sicht die Tradition zu betrachten und ihr Gutes von ihrem Schlechten zu trennen, was dringend notwendig wäre.

Der tödlichste aller Fehler in solch einem fehlgeleiteten Dialog der Kulturen ist die Vorstellung, die Religion müsse der Wissenschaft unvereinbar gegenüberstehen. Dieser leider weit verbreitete tödliche Irrtum, es gebe unvereinbare Gegensätze zwischen Religion und Wissenschaft, wird in diesem Aufsatz an entsprechenden Stellen besonders untersucht und berichtigt.

Aber einmal abgesehen von dem, was bloß Verwirrung stiftet: Exemplarisch für das wirklich Bösartige, dem bei dieser grundsätzlich falschen Art von „Demokratie“ – wie unabsichtlich dies auch sein mag – Unterschlupf gewährt wird, ist der verkommene existentialistische Irrationalismus des Kongresses für kulturelle Freiheit des Nazi-Freundes Allen Dulles.((Siehe The Children of Satan, a. a. O.)) Abschreckend für den profaschistischen Charakter des KkF ist der Existenzialismus à la „Frankfurter Schule“ des Nazi-Philosophen Martin Heidegger und seiner jüdischen Freunde der Frankfurter Schule Hannah Arendt und Theodor Adorno,((Der schiere Satanismus der Tradition des existentialistischen Irrationalismus von Frankfurter Schule und Brecht wurde durch die Politik T. W. Adornos u. a. in Allen Dulles’ Kongress für kulturelle Freiheit fortgeführt, The Authoritarian Personality (New York: Harper, 1959). )) die zusammen mit anderen Existenzialisten und deren Verbündeten wie die American Family Foundation den Faschismus der berüchtigten „Rattenlinie“ und anderer Nazi-Freunde von Dulles und Konsorten rechtfertigten, indem sie vorgaben, die kulturellen Übel des Kommunismus zu bekämpfen.((Beurteilt man die Entwicklung seit 1989, so lässt sich leicht nachweisen, dass die Rechtfertigungsversuche des Existenzialismus durch die Netzwerke um den Kongress für kulturelle Freiheit (KkF) der nachsowjetischen Weltzivilisation von heute mehr moralischen und materiellen Schaden zugefügt haben als der Sowjet-Marxismus. Die in der Tat schlimmsten Aspekte der kulturellen Einflüsse unter dem Kommunismus waren solche Ideologien wie die der ehemaligen Marxisten des KkF, die an leitender Stelle als intellektuelle Wühlmäuse die Propagandakampagnen des KkF steuerten. Die schlimmsten der marxistischen Philosophen folgten Engels’ britischem Dogma der affenartigen „Objektivität“, als sie die Existenz der Erkenntnis leugneten. Die Existenzialisten des KkF hingegen, wie die Wahrheithasser Adorno und Arendt, waren noch schlimmer: Sie ignorierten die Erkenntnis nicht, sondern vergewaltigten sie gemeinsam bis zum Tode.))

Martin Heidegger, Hannah Arendt, Theodor Adorno
Existenzialisten Martin Heidegger (1889–1976), Hannah Arendt (1906–1975), Theodor Adorno (1903–1969) | | Foto Heidegger: Landesarchiv Baden-Württemberg; Foto Arendt: Wikipedia/Münchner Stadtmuseum; Foto Adorno: Wikipedia/Jeremy Shapiro

Somit wurde die Anstrengung zu einem Versuch, Kompromisse zwischen Kulturen zu finden, wobei jede davon ausging, dass ihr vorhandenes, durch ihre Kultur geprägtes Wollen im Kern selbstredend richtig sei. Die dadurch Getäuschten, die sich damit dem typischen Irrationalismus des KkF anpassten, pochten auf ihre einander widersprechenden Vorstellungen von „richtig“, die sie in jedem Fall als a priori existierend darstellten. Die schlimmsten faschistisch existentialistischen Philosophen wie Leo Strauss – zeitweilig Schützling des Nazi-Kronjuristen Carl Schmitt – und seine Anhänger in der heutigen Regierung George W. Bush übernahmen die philosophische Bestialität des realen und literarischen Charakters des Thrasymachos, wonach widerrechtliche oder tyrannische Regimes wie das von Hitler oder von Präsident George W. Bush ein Recht auf Willkürherrschaft hätten.((Es gibt nur ziemlich wenige US-Bürger – solange sie nicht erwiesene Verrückte in spinnerten religiösen Sekten der Tradition eines Jonathan Edwards, der Nashville-Agrarier oder eines Torquemada sind –, die Präsident George W. Bush als Mensch mögen; aber seit 9/11 und dem Patriot Act gibt es viele verängstigte und feige, moralische Schwächlinge, die aufrichtig Angst haben, jemand könnte sie erwischen, dass sie ihm nicht huldigen, ähnlich jenen Deutschen, die Hitler zwar verachteten, ihn aber trotzdem nach den bemerkenswert erschreckenden Ereignissen von 1933 bis 1934 unterstützten. Das ist das Thrasymachos-Prinzip, dem Leo Strauss und seine neokonservativen Anhänger huldigen: das Prinzip, das Platon in seinem Staat exakt entlarvte.))

Zweitens müssen wir ermitteln, ob die Frage nach dem Funktionieren des vorgeschlagenen Ergebnisses, nicht von vornherein jeder ernsthaften Untersuchung entzogen war. Der Ausschluss dieser Fehlerbetrachtung dürfte mehr oder weniger aus Gründen des gegenseitigen Respekts für die axiomatischen, gegenseitig inkohärenten Empfindlichkeiten der anderen geschehen sein. Und zwar mit dem Argument, man wolle nicht über die Werteordnung der anderen Beteiligten, oder zumindest einiger von ihnen, von „außen“ ein Urteil fällen. Der schlimmste Aspekt dieser Versuche war der Vorschlag, die innere Inkohärenz der Prinzipien, die den jeweiligen kulturellen Wertesystemen zugeordnet wurden – etwa der willkürlich angenommene Gegensatz zwischen europäischen und asiatischen spirituellen Werten –, auch noch als positives Prinzip anzusehen!

Die Folge einer derartigen Suche nach einer relativ schmerzlosen prinzipienlosen Übereinkunft, dass man prinzipiell nicht übereinstimmt, ist das Resultat des Wegschiebens der entscheidenden Tatsache, dass ein Prinzip, wenn es denn wirklich eines sein soll, ein Prinzip in dem Sinne sein muss, wie wir diesen Begriff des „Prinzips“ mit den Naturgesetzen unseres Universums verbinden.

Mit anderen Worten: Wir müssen „Prinzip“ so verstehen, wie die klassische Tradition Platons und die neuzeitliche Wissenschaft von Kues, Kepler, Leibniz, Gauß oder Riemann die wissenschaftliche Methode definieren – so wie W. I. Wernadskijs experimentelles Prinzip der Noosphäre eine Wissenschaft definiert, die zu einer neuen eurasischen Kultur werden muss. Wenn man ein wahres Prinzip missachtet oder ein falsches durchsetzt, wie etwa die massenmörderischen, olympischen „Umweltkulte“ der vergangenen vier Jahrzehnte,((Siehe Aischylos, Der gefesselte Prometheus. „Olympisch“ bezieht sich auf den grausamen Zeus in Aischylos’ Prometheus-Trilogie und dessen Verbot des Wissens der Menschen um universelle Naturgesetze.)) dann wird die ganze Menschheit dafür bestraft, wie es sich an dem apokalyptischen Ergebnis nach vier Jahrzehnten des Einflusses und der Anwendung solcher falschen Überzeugungen zeigt. Die beiden Weltkriege sind lehrreiche Beispiele dafür, was geschieht, wenn man diesen Zusammenhang missachtet.((Obwohl es die Geld- und Wirtschaftspolitik, die zur Doktrin der „kontrollierten Desintegration der Wirtschaft“ der Trilateralen Kommission aus den 70er Jahren gehörte, war, die als grundlegende Veränderung der monetär-finanziellen Politik die heute heraneilende Weltdepression auslöste, war es die unter dem Einfluss von Ökologie-Kulten durchgeführte systematische Zerstörung der durch wirtschaftliche Anwendung wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts betriebenen Kapitalbildung, die der jetzigen weltweiten, monetär-finanziellen Krise die Attribute einer drohenden allgemeinen Zusammenbruchskrise des gesamten gegenwärtigen Weltsystems gab. Eindeutig hat die Natur laut und brutal kundgetan, dass sie Umweltkulte nicht sanftmütig hinnehmen wird.))

Nimmt man seine Zuflucht zu solch falschen, sentimentalen a priori-Annahmen, vor denen ich gerade gewarnt habe, so ist das Ergebnis – wie im Falle des Völkerbunds und der UNO – der gutgemeinte Wille, eine Wiederholung früherer Kriege oder ähnliches zu vermeiden, indem man Regeln aufstellt, die im besten Falle den vermuteten Absichten bestimmter früherer Konflikte entgegenwirken, in Wirklichkeit aber nur neue Regeln eines Spiels sind, das die Nationen bewusst oder unbewusst auf den Weg in den nächsten brutalen Weltkonflikt führt. So geschah es, recht bald, nach dem Ende der beiden „Weltkriege“ des 20. Jahrhunderts. Und heute geschähe genau dasselbe.

So war der Vorlauf 1922–1939 für den Zweiten Weltkrieg die Frucht eines faschistischen Komplotts der Finanzoligarchie der Synarchistischen Internationale,((Über den Synarchismus siehe The Children of Satan, a. a. O., passim.)) eines Komplotts, das als Voraussetzung die neuen englisch-niederländischen liberalen Regeln der Finanzwelt hatte, die von den maßgeblichen Mächten in den Versailler Vertrag hineingeschrieben worden waren. Die eigentlichen Verursacher des Krieges waren nicht ein paar rechte Fanatiker wie Hitler oder Mussolini, sondern jene, die diese beiden und andere Fanatiker groß gemacht und als Werkzeuge zur Herbeiführung des Krieges benutzt hatten. Jeder, der die politische Wirklichkeit kannte, wusste von Anfang an, dass die Finanzoligarchie der Synarchistischen Internationale, der Urheber des Versailler Vertrages, diesen Krieg wollte.

Nach Versailles dienten das Buch Die offene Verschwörung und der Film The Shape of Things to Come des utopischen Fanatikers H. G. Wells als Drehbuch für eine Art ideologischer Generalprobe der Utopier, sowohl für den Absturz der Welt in den Zweiten Weltkrieg als auch danach in ein finsteres Zeitalter, so wie es heute nach dem gegenwärtigen anglo-amerikanischen Irakkrieg zu beginnen droht. Dieses finstere Zeitalter wird schon bald das Resultat sein, wenn die gewissermaßen Wellsschen „neokonservativen“ Grundannahmen, für die die gegenwärtigen Regierungen der USA und Großbritanniens stehen, nicht bald verdrängt werden.((Zum Verständnis der Balkankriege, die bald auf den ersten Irakkrieg („Operation Wüstensturm“) folgten, siehe die Anmerkung zu Außenministerin Madeleine Albright.)) Ohne diese Ablösung sind ein neuer Weltkrieg und in der Folge der Absturz in ein weltweites finsteres Zeitalter praktisch unvermeidlich, so sicher, wie man Mitte der 30er Jahre dafür nur die Worte „Adolf Hitler“ zu sagen brauchte – auch wenn heutige Romantiker diesen sehr wirksamen Zusammenhang noch so vehement bestreiten.

Dieses Muster von Antinomien ist nicht erst in der Neuzeit aufgetaucht. Alle großen Tragödien in der Geschichte der über den ganzen Globus erweiterten europäischen Zivilisation, wie der Fall Athens im Gefolge des Peloponnesischen Krieges oder die heutigen Leiden Kontinentaleuropas, seitdem unter dem englischen König Edward VII. das angezettelt worden war, was dann als die beiden „Weltkriege“ des letzten Jahrhunderts bekannt wurde, veranschaulichen das gleiche Prinzip.((Entgegen allen populären Ammenmärchen der Diplomatie bis auf den heutigen Tag: Nach dem Scheitern der Absichten Lord Palmerstons stand mit dem Sieg der USA über die Konföderierten fest, dass die kontinentalen Vereinigten Staaten eine Dynamik entwickelt hatten, die neue mittelbare oder unmittelbare Angriffe auf diese Republik von Seiten des Britischen Empire unmöglich machten. Deshalb wurden neue britische imperiale Strategien ersonnen; typisch dafür ist die schrittweise Entstehung des liberalen Imperialismus der Fabianischen Gesellschaft, wie ihn heute die Regierung Tony Blair verkörpert. Der von Palmerston ausgebildete „Herr der Inseln“, der spätere Edward VII., ging zu den Ursprüngen britischer Imperialmacht zurück: der Anzettelung des Siebenjährigen Krieges, der zu dem britischen, imperialen Triumph am 10. Februar 1763 geführt hatte. Das Ergebnis, das Vermächtnis Edwards VII. an seine Nachkommen, nannte man den Ersten Weltkrieg, woraus dann in veränderter Form der Zweite Weltkrieg und später der „Kalte Krieg“ von 1946–1989 wurde.)) Der lange Bogen der bekannten Geschichte asiatischer Kulturen ist in dieser Hinsicht noch schlechter als der Europas. Nur auf den ersten Blick scheint Europa schlimmer dran gewesen zu sein, weil die europäische Kultur der Neuzeit, wenigstens bis jetzt, pro Kopf betrachtet ein mächtigeres Instrument gewesen ist als die asiatische Kultur. Heute, da sich unwiderruflich Atomwaffen in den Händen asiatischer Kulturen befinden und immer mehr diese erlangen, und da weltweit noch mehr asymmetrische Kriege entfesselt werden, drohen uns nicht Kriege zwischen Zivilisationen, sondern – wie wir an der gegenwärtigen Praxis der Regierung Bush im Irak sehen – ein allgemeiner Krieg gegen den Fortbestand der Zivilisation selbst, ein Weltkrieg unter Tanzpartnern, wie der, auf den sich die bereits tanzenden Regierungen Bush und Blair einlassen. Es ist höchste Zeit, darüber zu sprechen, statt in selbsterniedrigender Weise so zu tun, als glaube man den üblichen diplomatischen Gemeinplätzen.

Wer die Geschichte nicht versteht, redet sich aus der eigenen Mitschuld gewöhnlich damit heraus, dass er die Schuld einigen wenigen, führenden Persönlichkeiten gibt – hauptsächlich solchen, die sich in opportunistischer Weise nur allzusehr an eine gerade beliebte Kultur angepasst haben. Jedoch wird bei diesen Ausreden übersehen, dass die Ursache solcher Katastrophen immer die Kultur selbst war, nicht nur die Kultur der Führungsschicht, sondern, was viel wichtiger ist, die des ganzen Volkes. Es war das Volk, das sich für gewöhnlich auf die eine oder andere Art und Weise eine solche Führung für seine herrschenden Institutionen ausgewählt hat. Dabei wurden entweder vorhandene Alternativen abgelehnt oder, schlimmer noch, es stand gar keine andere qualifizierte Führung zur Auswahl.

Zugegeben, es waren die gemeinsamen Interventionen von besonders B. G. Tilak und Mahatma Gandhi, die mit ihrem Eingreifen Indien den Weg aus der tyrannischen Fremdherrschaft wiesen. Diese Erfahrung belegt erneut in herausragender Weise die Macht einer Kultur, um das Regime, das mit den Beherrschten unvereinbar ist, zu Fall zu bringen. Diese Erfahrung und die gegenteilige Neigung der Untertanen, der Tyrannei Glaubwürdigkeit zu verleihen – wie in Deutschland nach Görings Reichstagsbrand und in den USA nach dem 11. September 2001 –, sind für den entscheidenden Dualismus der bekannten Geschichte bezeichnend. Dennoch bleibt die hässlichere Wahrheit, wie die häufige Erfahrung lehrt, dass eine schlechte Herrschaft, wie die der römischen Cäsaren, ein Ausdruck der Kultur des eigenen Volkes ist. Shakespeare bringt das, etwa in der Eröffnungsszene von Julius Caesar oder in Hamlet, auf dem Theater gekonnt zum Ausdruck. In beiden letzteren Fällen stellt Shakespeare mit genialer Einsicht das Böse einer Kultur auf die Bühne – sei es der Tyrann oder sei es der mordlustige Dummkopf, den das Böse im Volk hervorgebracht hat. Wie Shakespeare den Charakter Julius Cäsars oder Hamlets auf der Bühne erschafft, so erschafft auch die Kultur im Volk oft die Tyrannen, die es dann später regieren.((„Nicht durch die Schuld der Sterne, lieber Brutus, durch eigne Schuld nur sind wir Schwächlinge.“ Wer diesen Satz nicht versteht, so wie Shakespeare ihn gemeint hat, hat noch nichts Wesentliches über Politik, Geschichte oder die geistige Natur des Menschen verstanden.))

Also denken Männer und Frauen nicht klar, Männer und Frauen, die wie Hamlet-artige Opportunisten es vorziehen, einer Sache hinterherzulaufen, die innerhalb der Grenzen dessen liegt, was gerade die willkommene öffentliche Meinung ist, statt die Folgen zu bedenken, die die Gegenwart der Zukunft aufzwingt, Folgen, von denen, wie es heißt, „kein Reisender je zurückkehrt“. Auf diese Weise war es der gängige, intellektuell und geistig feige Glaube, der in der Kultur selbst tief verwurzelt ist, der die Quelle der Desaster jener Kultur war. So bringen Gesellschaften, wie heute, oft utopische Pläne hervor, unter deren Folgen kommende Generationen zu leiden verdammt sind.((Siehe Hamlets Monolog in Hamlet, 3. Akt.))

Das wesentliche Paradox

Es war möglich, wissenschaftliche Prinzipien zu entdecken, mit deren Hilfe die immer wieder ähnlich törichten Resultate utopistischer Komplotte willentlich vermieden werden könnten. Ich muss es noch einmal sagen: Das zu lösende Problem ist der übliche, manchmal tödliche Dünkel, die Prinzipien der erwünschten Utopie seien jene Prinzipien, die vermeintlich ganz naheliegend sind und sich wie durch einen herzerwärmenden Energieschwall kundtun – wie z. B. eine bestimmte Tradition. Diese Formen von unmoralischer Eigenkorruption der Völker werden in unverantwortlicher Weise als etwas mehr oder weniger Selbstevidentes behandelt, und sogar ansonsten eher vernünftige Menschen schließen sich ihnen ohne Zögern an.

Der große, oft tödliche Irrtum ist, außer acht zu lassen, dass – wie in der Naturwissenschaft – die gewünschten Lösungen nur darin liegen können, neue Prinzipien zu entdecken, die zu Recht, aber oft auch schroff, so gut wie alles, was die vorherrschende Meinung bisher geglaubt hatte, auf den Kopf stellen. Meistens wurde fälschlicherweise angenommen, die vorherige Krise sei die Folge von Verstößen gegen irgendwelche herkömmlichen Werte gewesen, wo sie in Wahrheit doch von einem nicht vollzogenen Bruch mit diesen Werten herrührte, was der Fall der Leibnizschen Amerikanischen Revolution Benjamin Franklins und auch Schillers Behandlung der historischen Figur des Wallenstein veranschaulicht. Der Irrtum besteht also in der Annahme, die Lösung läge innerhalb der Grenzen jenes Denkens, das die Krise überhaupt erst erzeugt hatte. So wandern die Lemminge, ihrer schrecklichen Tradition folgend, regelmäßig über die Klippe und stürzen ins Meer.

Die Begabung des ausgebildeten Rettungsschwimmers ist nicht, die Dame zu verführen, sondern ihr Leben zu retten, ob er ihr nun persönlich sympathisch ist oder nicht. Genauso ist es mit der Führung, von der die Lösung einer kulturellen Krise wie der heutigen Weltkrise abhängt. Hier liegt die eigentliche Herausforderung eines Dialogs zwischen den Kulturen. Falls ein solcher Dialog tragisch scheitert, läge dies, wie schon in der Vergangenheit, in erster Linie daran, dass sich keine Führung entwickelt, die Änderungen der allgemein anerkannten Prinzipien, die solche Kulturen repräsentieren, durchsetzen kann.

Erklären wir diesen ganz entscheidenden Punkt der Klarheit halber noch einmal anders. Ich darf nicht zulassen, dass sich unsere Diskussion von der wiederholten Betonung dieses Punktes entfernt.

Der größte Feind der Menschheitszivilisation und aller Zivilisationen – die Quelle ihrer größten, tödlichsten Schwäche – ist letztendlich die Vergötterung allgemeiner Mittelmäßigkeit im Namen des „Wahrens bestehender Traditionen“. Das Verhalten gleicht dem von Raubtieren oder deren Opfern, die ihren angeborenen tierischen „Instinkten“ nicht entrinnen können. Der Mensch sollte sich darauf verlassen, dass er sich anders verhalten kann. Der Hang, sämtliche Stimmen zu unterdrücken oder ganz zum Schweigen zu bringen, die den irreführenden, falschen Frieden allgemeiner Mittelmäßigkeit bedrohen, ist der typischste Ausdruck jener Verachtung des Prinzips der Wahrhaftigkeit, was vormals scheinbar große Kulturen in den selbstverschuldeten Untergang führt.

So war es die vorherrschende „antivoluntaristische“ Kultur der sowjetischen Gesellschaft, die der relevanteste Einzelfaktor in der Wirtschaft war, will man die selbstverschuldeten Aspekte des Falls der Sowjetunion hervorheben. Die Tatsache, dass der klar „voluntaristische“ Impuls der sowjetischen Rüstungsforschung die Schlacht gegen Plechanows Tradition des Sowjetsystems verloren hatte, bleibt auch heute noch die entscheidende strategische Lehre für den Entwurf eines Programms, mit dem Russland sich vom Zusammenbruch der Sowjetunion erholen kann.((Das war die Grundlage für meine prophetische Warnung im Februar 1983 gegenüber dem sowjetischen Vertreter bei den Sondierungsgesprächen, die ich 1982–1983 im Interesse von US-Präsident R. Reagan führte. Ich sollte der sowjetischen Regierung den Vorschlag erläutern, den ich Präsident Reagan unterbreitet hatte – eben jenen Vorschlag, den der Präsident selbst wenige Wochen später, am 23. März 1983, öffentlich darlegte. Ich fasste die Entscheidung zwischen diesem Plan und der entgegengesetzten Doktrin der Sowjetregierung folgendermaßen zusammen: „Falls die Regierung der Sowjetunion das Angebot, sofern mein Präsident es unterbreitet, zurückweist, würde die sowjetische Wirtschaft in etwa fünf Jahren zusammenbrechen.“ Am 23. März 1983 unterbreitete Präsident Reagan öffentlich die vorgeschlagene Option, doch der sowjetische Generalsekretär Andropow wies sie umgehend zurück, und etwa sechs Jahre später begann das sowjetische System sichtlich auseinanderzufallen. Es war mein Verständnis der wirtschaftlich selbstmörderischen Auswirkungen des sowjetischen Antivoluntarismus auf den nichtmilitärischen Bereich der Wirtschaft, die mich in die Lage versetzt hatte, diese prophetische Einsicht in die heutige russische Geschichte zu gewinnen.))

Das entscheidende Thema, mit dem man sich bei der Beurteilung früherer gescheiterter Versuche in Richtung eines Dialogs der Kulturen befassen muss, zeigt sich beispielhaft daran, dass Führungspersönlichkeiten, wenn sie tatsächlich auftraten, ermordet, eingesperrt oder auf andere Art zurückgewiesen wurden. Abweichung ist das Ferment von Genie und Dummheit gleichermaßen, aber sie bleibt dennoch die Brutstätte, wo etwas Neues entstehen kann, mithilfe dessen sich ein Volk aus dem tödlichen Griff fehlgeleiteter Gewohnheiten befreit. Solche abweichenden Stimmen systematisch auszurotten, ist typisch für die Unfähigkeit, eine systemische Krise zu überwinden, die eine einst mächtige Nation in den selbstverschuldeten Untergang führt.

So war in jedem Fall der bekannten Geschichte der gemeinsame Fehler von Anführern der, dass entweder keine anderen ausgewählt wurden oder dass gar keine geeignete andere Führung zur Verfügung stand, weil man sie in der betreffenden Kultur nicht entwickelt und gefördert oder sogar vorbeugend beseitigt hatte – so wie man den „unerwünschten legitimen Erben am liebsten schon in der Wiege ermordet“ –, entweder auf Anordnung oder unter stillschweigender Duldung der Herrschenden. Durch solch eine kollektive Sachlage hat das Volk in aller Regel schlimmstes Leid über sich gebracht. Das Wirken des Kongresses für kulturelle Freiheit des Nazi-Freundes Allen Dulles ist ein Paradebeispiel dafür, wie dem Volk einer Nation Zugang zur Entwicklung und Auswahl von geeigneten Anführern verwehrt wird, die sie von dem tragischen Weg des selbstverschuldeten Untergangs hätten abbringen können.((„Nazi-Freund“ ist keine Übertreibung. Die Gebrüder Dulles waren Teil des internationalen, finanzoligarchischen Apparates, der die faschistische Entwicklung in der Zeit nach Versailles geschaffen hatte, und gehörten zu der internationalen Fraktion, die Hitler 1933 an die Macht brachte. Hitlers Entscheidung Mitte der 1930er Jahre, erst im Westen anzugreifen, bewog Frankreich und England, die USA ins Spiel zu bringen. Unter diesen Bedingungen wechselten viele in den USA und in Großbritannien, die vorher zu Hitlers Unterstützern gezählt hatten, vorübergehend in die Opposition. Aber noch mitten im Kampf gegen Hitler holten Leute wie Allen Dulles wesentliche Teile des Nazi-Apparats in das Umfeld des späteren NATO-Systems und in die Putsch- und Mordmaschinerie etwa von Chiles Pinochet-Regime und der mit diesem verbundenen massenmörderischen Operation Condor in Mittel- und Südamerika. Der Kongress für kulturelle Freiheit war ein integraler Bestandteil dieser heimlichen „Renazifizierung“.))

Im Kontrast dazu waren sämtliche große Anführer, die eine Kultur vor den Folgen ihrer eigenen Torheit in Sicherheit brachten, zwangsläufig Ausnahmen von dem, was diese Kultur „im Durchschnitt“ wahrscheinlich als akzeptable Qualität betrachtet hätte.

Solche Ausnahmen waren die Wahl der US-Präsidenten Abraham Lincoln und Franklin Roosevelt oder des Präsidenten Charles de Gaulle der französischen Fünften Republik. Beispiele für das Prinzip, solche Ausnahmeerscheinungen in entscheidenden Momenten der Geschichte auszuschalten, waren die Ermordung der indischen Premierministerin Indira Gandhi oder die Ermordungen Jürgen Pontos und Alfred Herrhausens in jeweils entscheidenden Phasen der Geschichte Deutschlands. Die glücklicheren Ausnahmen, scheinbare Unfälle der Geschichte wie Lincoln oder Franklin Roosevelt, waren nicht wirklich Unfälle; sie waren willentliche Rollenbestimmungen, die von Personen angenommen wurden, die, weil sie dazu entwickelt wurden und sich auch selbst dazu entwickelt hatten, sich gegen die anerkannten Verhaltensmuster der herrschenden Kultur zu stellen, die außergewöhnlichen Möglichkeiten, die eine Krise oftmals bietet, richtig nutzen konnten. Dann war das Ergebnis eine Ausnahme von den üblichen, tragisch falschen Vorlieben der betreffenden Kultur, wenn es um kritische Entscheidungen ging.

Abraham Lincoln, Franklin Roosevelt, Charles De Gaulle
Historisch wichtige Ausnahmeerscheinungen ihrer Zeit: Abraham Lincoln (1809–1865), Franklin D. Roosevelt (1882–1945), Charles De Gaulle (1890–1970)

Wer somit Aussicht hat, ein derartiger Staatsführer zu werden, und in dem Verdacht steht, solche unerwünschten Fähigkeiten in sich zu tragen, wird gewöhnlich auf die eine oder andere Weise aus der Szene entfernt, so wie es mir erging, u. a. wegen gemeinsamer Anstrengungen meiner Gegner in Amerika und der Sowjetunion hinsichtlich meiner Rolle bei der Strategischen Verteidigungsinitiative (SDI) zwischen 1983 und 1989.((Dazu zählte ein massiver bewaffneter Einsatz in der Nacht vom 6. zum 7. Oktober 1986 mit dem Ziel, mich zu töten, was den SDI-Gesprächen bei dem kurz bevorstehenden Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Ronald Reagan und dem sowjetischen Generalsekretär Gorbatschow in Reykjavík zuvorkommen sollte.))

So rettete seinerzeit zum Beispiel die Wahl des außergewöhnlichen Franklin Roosevelt die USA und half entscheidend dabei mit, für den damaligen Zeitraum die Welt zu verteidigen. Roosevelts Tod beseitigte die entscheidenden Hindernisse der Herrschaft des geistigen und moralischen Mittelmaßes, verkörpert im „kleinsten gemeinsamen Nenner“ Harry S Truman, was dann zu den größten Katastrophen auf der Welt in den letzten 50 Jahre führte. Diese Seuche ungeheurer intellektueller und moralischer Mittelmäßigkeit – losgetreten durch den vom nazi-freundlichen Allen Dulles und anderen gegründeten Kongress für kulturelle Freiheit (KkF) – schuf die Grundlage für den die letzten 40 Jahre andauernden Absturz der Weltzivilisation in die kulturelle Dekadenz und von dort in die nun drohende „Götterdämmerung“, das gegenwärtig drohende weltweite neue finstere Zeitalter.

Die größte Torheit der bekannten Kulturen bestand immer darin, die Führung der Nationen und ihre Politik auf einen vermeintlichen, politisch-kulturellen Konsens, eine sogenannte altehrwürdige Tradition, stützen zu wollen. So war es bei den Kontinentalmächten, die zu Beginn des Ersten Weltkriegs führend waren, als die sich anbahnende Krise erfordert hätte, sich gegen die geläufigen Meinungen nur auf die nackte Wahrheit zu verlassen – jene Art von Wahrheit, die die tödliche Dummheit der vorherrschenden kulturellen Normen entlarvt.

Zivilisationen sind durch ihr stures Festhalten an den Fehlern ihrer ererbten kulturellen Gewohnheiten zum Aussterben verurteilt, so wie eine Tierart durch ihr genetisches Erbe verdammt ist. Deshalb ist es paradoxerweise oft nur eine Revolution der kulturellen Traditionen, wie Benjamin Franklins Amerikanische Revolution 1776–89, die die wertvollsten politischen und anderen Institutionen, bis dato von der englischsprachigen Welt hervorgebracht, hätte erhalten können und dies auch tat.

Dass Kontinentaleuropa versagte, sich auf revolutionäre Weise vom Erbe parlamentarischer Angewohnheiten und sogenannt „unabhängiger“ Zentralbanken zu befreien, war seit Juli 1789 die Ursache großer Tragödien und verpasster Chancen, die Europa bis heute wiederholt über sich brachte.

In der Naturwissenschaft, in der großen klassischen Kunst und in der Staatskunst zeichnet sich eine Nation, die wahre Größe erlangt, dadurch aus, dass sie zu der notwendigen, grundsätzlichen Ausnahme vom sonst allgemein üblichen Vorgehen greift – man spricht auch von der „revolutionären“ Ausnahme; so wie die Rückkehr Präsident Franklin Roosevelts zur US-Verfassung, die Ausnahme von der gegenwärtig akzeptierten Gewohnheit,((Die Gepflogenheiten der Zeit von 1901 bis 1932, die am deutlichsten durch die Präsidentschaften von z. B. Theodore Roosevelt, Woodrow Wilson, Calvin Coolidge und Herbert Hoover verkörpert wurden.)) was das Kennzeichen wahrer Größe einer Nation ist; und man muss aus dem Kreis der Besten die wirklich außergewöhnlichen auswählen, die allein die Veränderungen bewirken können, von denen die Größe und sogar das Überleben einer Kultur abhängt. Die Tiere sind dazu verurteilt, eines Tages von der Natur ausgelöscht zu werden, weil ihre Natur fix ist. Der Mensch aber ist kein Tier, es sei denn, er versucht, die Tiere nachzuahmen, indem er Glaubensstrukturen wie das „radikalökologische“ Dogma annimmt, die einer niederen Gattung mit kulturell festgelegten, quasi-genetischen Eigenschaften zukämen.

Das gilt auch für die Religion. Solche Religionen, die die Existenz eines extramundanen Schöpfers annehmen und sich ein Universum mit festen Regeln wie auf einem Spielfeld vorstellen, folgen dem blasphemischen Irrglauben, dem Schöpfer die Fähigkeit abzusprechen, aus Seinem Universum heraus Veränderungen zu bewirken. Sein wirkliches Universum ist das, in dem Er selbst lebt. Wenn ein solcher Narr in überheblicher Weise dem Schöpfer des Universums diese Macht absprechen will, muss er sich auch damit abfinden, dass er selbst nicht mehr ist als ein Tier; er leugnet die Existenz des menschlichen Individuums, die Existenz dieser Seele, die den sterblichen Körper, den sie nur für einen kurzen zeitlichen Moment bewohnt, überleben soll. Spräche man dem Einzelnen die Macht und die Pflicht ab, willentlich dazu beizutragen, das Universum, das sein kurzes sterbliches Dasein überlebt, zu verbessern, so erniedrigte man ihn nach seiner eigenen Einschätzung zu einem Tier, er verhielte sich dann wie eine Art Tier, entsprechend dem Großinquisitor Torquemada – was, wie heute wieder zu sehen, am Ende oft dabei herauskommt.((Dieser Punkt zeigt sich, eingeschlossen, in jener gnostischen Lehre vom Bösen, die solche protestantischen Kulte wie die Jonathan Edwards’, Großvater des Verräters Aaron Burr, in Nordamerika immer vertreten haben. Der Mensch ist nicht von Natur aus böse, sondern wird nur böse, wenn er seine eigene Natur verleugnet, die darin besteht, sich als Geschöpf, das der Liebe seines Schöpfers würdig ist, zu entwickeln – ein Geschöpf von Agape, wie es Platons Sokrates z. B. im Staat oder Apostel Paulus im I. Korinther 13 beschreiben. Diejenigen, die Philos’ und ähnliche Vorstellungen eines Schöpfergottes im Universum ablehnen, nehmen sich theologisch das Recht heraus, dem Schöpfer anzutun, was Zeus in Aischylos’ Trilogie Prometheus antat. Diese gnostische Lehre von einem nach der Schöpfung „gezähmten“ Gott in einem Universum unter Satans Kontrolle ist implizit ein Deismus des Satanismus – so wie der Kult des Bernard Mandeville in Friedrich von Hayeks und Milton Friedmans Mont-Pèlerin-Gesellschaft und auch jener des Großinquisitors in Dostojewskis Roman.))

Das Gespräch in Form eines „Dialogs der Kulturen“ ist nicht nur wichtig; es ist dringend notwendig. Aber, wie uns die Geschichte gelehrt haben sollte, besteht die große Gefahr, dass die Beteiligten sich zu schnell, zu weitgehend und zu oberflächlich auf nur allzu bereitwillig akzeptierte Gemeinplätze einigen. Die Gefahr dabei ist, dass die Suche nach einem neuen Kompromiss dann zu einem Ergebnis führt, das sich sehr schnell überlebt, so wie beim Völkerbund.

Deshalb dränge ich auf die langfristige Sichtweise, die ich schon in verschiedenen früheren Schriften dargelegt habe. Wie soll man versuchen, vorher einzuschätzen, warum und wie unsere Nachfahren in nicht weniger als zwei Generationen die Ergebnisse unseres vereinbarten gemeinsamen Vorgehens beurteilen werden? Vorher angemessen einzuschätzen, ob unsere Entscheidung richtig ist, beruht eben nicht auf der Erfahrung der Vergangenheit, sondern auf unserer richtigen Beurteilung der Erfahrungen der Zukunft.((In der Geschichte der neuzeitlichen Wissenschaft ist die Vorstellung der Erfahrung der Zukunft charakteristisch für die führenden, herausragend originellen Errungenschaften von Kepler und Gauß in der Astrophysik sowie die der allgemeinen Prinzipien der Relativität, die in Bernhard Riemanns Werk gründen. Diese Vorstellung universeller, wissenschaftlicher Prinzipien als Ausdruck einer in die Zukunft wirkenden Kraft war bereits im Kräfte-Konzept der Pythagoräer und Platons enthalten. Gauß’ eigene Entdeckung der Umlaufbahnen der Asteroiden – die Keplers Annahme bestätigte, dass es einmal einen Planeten zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter gegeben haben muss, der ohne äußeres Zutun explodierte – ist ein bemerkenswertes Beispiel dafür, die Zukunft schon in der Gegenwart zu erfahren, eine Erfahrung, die neben ihrer intellektuellen Natur zusätzlich physikalisch aktuell ist. Diese Vorstellung erscheint dem heutigen Durchschnittsleser paradox, weil sie den krankhaften Vorschriften des philosophischen Reduktionismus, wie etwa des Empirismus, grundsätzlich widerspricht.)) Das ist das entscheidende Paradox, mit dem diese Schrift alle Befürworter eines Dialogs der Kulturen herausfordert; dieses Paradox beschreibt die große Gefahr, bei allen Versuchen eine erfolgreiche allgemeine Einigung nur aus diesem Dialog heraus zu erzielen. Die beste praktische Methode für die Lösung dieses entscheidenden Paradoxons bietet W. I. Wernadskijs Definition der Noosphäre.

Eine zukünftige Lösung aus der Vergangenheit

In diesem Einleitungsteil beschränke ich mich auf eine grobe Übersicht über die Art der Lösung, zu der uns dieses Paradox führen muss. Ähnlich wie schon in früheren Schriften möchte ich hier der Beschreibung der Noosphäre durch Wernadskij die Sicht Bal Gandaghar Tilaks in seinen Büchern Orion und The Arctic Home in the Vedas (Die arktische Heimat in den Veden) gegenüberstellen. So wie die klassisch-griechische Übernahme der Wissenschaft der Sphärik, die in den Großen Pyramiden Ägyptens zum Ausdruck kommt, und wie diese klassische Wissenschaftsmethode in Keplers prinzipiellen Entdeckungen einen Widerhall fand, so sollten wir mit Tilak das Leben auf unserem Planeten heute und auch morgen aus der Sicht von vergangenen Jahrtausenden und noch weiter zurück in der Vergangenheit betrachten. Untersuchen wir, was das aus der erneuerten klassischen Sicht durch Wernadskijs Definition der Noosphäre bedeutet, und definieren wir davon ausgehend die gemeinsamen Werte für die Zukunft als möglichen Maßstab für den Erfolg der Menschheit auf diesem Planeten innerhalb von nur zwei Generationen.

Inwiefern bestimmt von diesem Ausgangspunkt aus die Entscheidung für bestimmte kulturelle Werte, ob und wie der jetzt so akut und massiv gefährdete Planet in etwa zwei Generationen erfolgreich dastehen wird? Offensichtlich ist: Wenn man zuließe, dass nur die heute gängigen kulturellen Werte – in ihrer schon jetzt extremen Form – weiter aufeinander wirken, wäre das Ergebnis nicht nur ein allgemeines Scheitern, sondern sogar eine unmittelbare Katastrophe.

Das heutige Problem ist nicht, dass einige maßgebliche Nationen Fehler gemacht haben; das Problem ist, dass die heutige Gesamtheit der kulturellen Einflüsse auf der Erde in den 60 Jahren seit Franklin Roosevelts Tod, und verstärkt in den letzten 40 Jahren, zu einem gegenseitigen Hochschaukeln von Nationen und Kulturen geführt hat, die Einflüsse repräsentieren, die denen Roosevelts entgegenstehen. Das hat als Endergebnis den gesamten Planeten in die heute unmittelbar drohende Gefahr gebracht. Wenn auch einige Regierungen und Vereinigungen in diesem Augenblick, einzeln und gemeinsam, teilweise nützliche Ideen in Erwägung ziehen, so berücksichtigt bisher doch keine von ihnen die eigentliche, seit Jahrzehnten andauernde Ursache des Niedergangs in das nunmehr drohende, lange finstere Zeitalter der gesamten Menschheit.

Zum Beispiel: Der Schlüssel zum Verständnis der neuzeitlichen Weltgeschichte der letzten drei Jahrhunderte ist die Anerkennung der wesentlichen, wahren Tatsache, dass die Weltgeschichte als ganze spätestens seit dem Triumph von Lord Shelburnes britischer Ostindiengesellschaft im Februar 1763 von der weltweiten, imperialen Macht eines englisch-niederländischen liberalen Systems geprägt worden ist. Dennoch tut die Mehrheit der heutigen Welt törichterweise so, als nähme sie diese offensichtliche Tatsache und damit auch ihre bis heute weitreichenden praktischen Folgen für alle Teile der Erde sozusagen „höflich“ nicht zur Kenntnis. Es ist, als stünde ein Elefant laut trompetend im Hochzeitsbett und würde trotzdem nicht wahrgenommen.

Diese Weltmacht, dieses liberale System herrscht über die Welt durch die Kontrolle des oligarchischen Weltfinanz- und Währungssystems – spätestens seit dem 10. Februar 1763, dem Tag des Pariser Vertrages am Ende des von den Briten inszenierten Siebenjährigen Krieges, der die betrogenen Mächte Kontinentaleuropas ins Verderben stürzte. Mit diesem Vertrag entstand das Weltreich der britischen Ostindiengesellschaft, die im 18. und 19. Jahrhundert Indien und viele andere Länder vereinnahmte und ausbeutete. Die heutige Weltkrise ist im Kern ein Auswuchs der Manipulationen der systemischen Beziehungen zwischen den Nationen der Welt, hauptsächlich durch die Kontrolle der Mechanismen des Liberalismus, die in dem noch heute regierenden, ausbeuterischen finanzoligarchischen Imperium vorherrschen.

Kampf im siebenjährigen Krieg
Der Siebenjährige Krieg war der erste weltumspannende Konflikt.

Zum Beispiel: Es ist nur zu typisch für die falschen Vorstellungen vieler, die an die Idee eines Dialogs der Kulturen herantreten, dass in den jetzt vergangenen Jahrzehnten die Vereinigten Staaten, und praktisch sie allein, öffentlich als angeblicher Herrscher der Welt verurteilt wurden – eine ebenso alberne wie weitverbreitete Meinung. Für den, der die relevanten Fakten über den Entscheidungsprozess kennt, ist diese Legende die Frucht einer tödlichen, selbstmörderischen Torheit derer, die die Dinge so simpel erklären wollen.

Entgegen diesem weitverbreiteten Irrtum, der in den USA als auch außerhalb anzutreffen ist, beherrscht das englisch-niederländische liberale System in erheblichem Maße die heutigen USA. Das tut es zunehmend seit dem Tode Franklin Roosevelts und besonders seit dem Mord an Präsident John F. Kennedy, der die Amerikaner vor Angst fast erstarren ließ, ähnlich wie später die Ereignisse des 11. September 2001.

Dieser fremdartige Einfluss ist hauptsächlich das Liberale System, heute verkörpert durch die Mannschaft der liberal-imperialen Fabianer um den britischen Premierminister Tony Blair, und zuvor besonders durch die Bande um Margaret Thatcher, die dieselbe Abstammung hatte. Das ist das englisch-niederländische System, gegen das wir Amerikaner den Unabhängigkeitskrieg führten, das sich aber heute wie ein Parasit am Hals der einfältigen USA festgekrallt hat, so wie vorher schon während der Regierungen Harry Trumans und Richard Nixons. Lange vor Truman dienten Vertreter der Tradition der Konföderierten wie Theodore Roosevelt und Woodrow Wilson sowie später die Seuche typisch liberalen Diebstahls unter Wall-Street-Kreaturen wie Coolidge und Hoover dem Liberalen System, dieser imperialen Mutter des Systems globaler Unterdrückung.

Diese Verbindungen zu leugnen, hieße den Elefanten im Hochzeitsbett nicht sehen zu wollen. Das allein könnte schon Grund für ein tragisches Scheitern jedweden versuchten globalen Dialogs der Kulturen sein.

Unter dem gegenwärtigen, weltweiten monetären Finanzsystem wird das, was die Politik einer Nation oder einer Gruppe von Nationen kontrolliert, nicht von eindeutigen politischen Entscheidungen einer oder vieler Nationen bestimmt. Die Gesamtwirkung, die in diesen einzelnen Entscheidungen zum Ausdruck kommt, entsteht vielmehr durch bestimmte axiomatische Grundannahmen – wie etwa dem heute weitverbreiteten, wahnwitzigen Aberglauben an den dogmatischen Freihandelsmystizismus des englisch-niederländischen liberalen Systems.((Die Lehre vom „Freihandel“, die Lord Shelburnes Büttel Adam Smith 1776 in Der Reichtum der Nationen, seiner Polemik gegen die Amerikanische Revolution, darlegte, war im wesentlichen bei den führenden französischen Physiokraten Dr. François Quesnay und Turgot, zwei zweifelhaften Autoritäten, abgeschrieben. Obwohl Quesnays mystische Lehre vom Laissez-faire Smiths wichtigste ausgebeutete Quelle war, wurde sein Plagiat in England vor allem deswegen anerkannt, weil ihm Bernard Mandevilles Bienenfabel vorangegangen war; in welcher, den merkwürdigen gnostischen Eingebungen Mandevilles zufolge, öffentliches Wohl für die Gesellschaft durch private Laster zustande kommt. Smith selbst verteidigte solche spezifisch gnostisch-unfruchtbaren Wahnvorstellungen 1759 in seiner Theorie der moralischen Empfindungen mit derselben Begeisterung für schiere Irrationalität, die auch den merkwürdigen Sexualpraktiken der Katharer (denen wir das Wort „Kondom“ verdanken) die weltanschauliche Grundlage lieferte. Professor Milton Friedman bietet in seiner Fassung desselben Unfugs nicht einmal mehr solchen exotischen Ersatz für Rationalität. Friedman argumentiert nur, wie Frau Joan Robinson aus Cambridge darlegte, wie ein tölpelhafter Schüler, der den Lehrstoff in sein Schulheft abschreibt: post hoc ergo propter hoc.))

Dies stellt ein äußerst wichtiges, aber selten als solches erkanntes methodisches Problem im Umgang mit dem Verhalten in und zwischen gesellschaftlichen Systemen dar. Betrachten wir die geschichtliche Bedeutung von vier verschiedenen, recht häufigen Auswirkungen einzelner politischer Entscheidungen.

Erstens gibt es Fälle, in denen eine Handlung die Übernahme eines grundlegenden Verhaltenssatzes ausdrückt, so dass kein wesentlicher Wandel des geltenden Handlungsprinzips dadurch herausgefordert wird. Wenn dieses Stück geistigen Stillstands dazu beiträgt, die Lage weiter zu verschlimmern, dann war diese Verschlimmerung nur ein Beleg für das, was schon in den zuvor praktizierten Denkgewohnheiten gegenwärtigen „axiomatischen“ Verhaltens politischer Gestaltung begründet lag.

Zweitens gibt es Fälle, in denen die schon zuvor herrschenden axiomartigen (d.h. systemischen) Annahmen, ohne geändert zu werden, einen extremen Punkt in der von ihnen vorherbestimmten Bahn berühren. Weil man damit den Rand einer Grenzbedingung des Systems kreuzt, löst dies eine ungewohnte neuartige Wirkung aus, wie man sie mit einer tatsächlichen Krise verbindet, doch die entsprechenden axiomartigen Annahmen, nach denen sich, zum Beispiel, die Gesellschaft bis dahin richtete, werden damit noch nicht verändert.

Drittens gibt es Entwicklungen, die mit dem, was die axiomatischen Grundannahmen erlaubt hätten, axiomatisch in Widerspruch geraten, deren Folgen aber wahrscheinlich aufgefangen werden – wie ein kleiner Flohbiss, der den schlafenden Träumer nur kurz belästigt –, wobei das System solcher Annahmen kaum gestört wird.

Dann denke man sich einen vierten Fall, in dem die Auswirkung einer Handlung das System der bislang herrschenden axiomartigen Annahmen über den Haufen wirft oder zumindest diesen Anschein erweckt. In diesem Fall besteht die Gefahr, dass eine Veränderung des ganzen Systems axiomatisch ausgelöst wird. Zum Beispiel: Die meisten direkten und indirekten Androhungen von Gewalt gegen meine Person, die in den letzten 30 oder mehr Jahren aus dem „Establishment“ kamen, rührten daher, dass das Establishment erkannt hatte, dass meine Handlungen den Fortbestand seines gegenwärtigen Systems ernsthaft gefährden könnten.

In allen Fällen ist es nicht die einzelne Handlung, die historisch entscheidend ist, sondern das System oder das Ineinanderwirken der Systeme oder Veränderungen im System selbst. Deshalb muss man bei der fachkundigen langfristigen Wirtschaftsprognose Wirtschaftssysteme immer axiomatisch betrachten, so wie es die fachkundige Handhabung in der Naturwissenschaft ist: Man betrachtet sie als Systeme und begründet Prognosen darauf, das System als System zu untersuchen, statt durch den Sumpf oder Treibsand der unweigerlich falschen Extrapolationen eines gedankenlosen Buchhalters mit seinen wie üblich grobschlächtigen und oft völlig irrwitzigen statistischen Methoden zu waten.

Dasselbe gilt in leicht veränderter Weise, wenn man einen anderen Fall von Belang betrachtet: das bösartige Dogma, Zentralbanksysteme – die in Wirklichkeit nichts anderes sind als Werkzeuge des kollektiven Willens des „Schleimpilzes“ finanzoligarchischer Privatinteressen – müssten unter dem Schutz der systemischen Annahme arbeiten, dass solche Systeme frei von der Aufsicht gewählter Regierungen sein müssen. Dies ist das eigenartige System, die Weltanschauung, die heute die meisten Nationen dominiert, und wer dieses System beherrscht, der bestimmt die Art und Weise, wie in den jeweiligen Nationen die Politik gestaltet wird. Falsche Annahmen axiomatischer Natur wie der Glaube an die Unabhängigkeit der Zentralbanksysteme herrschen dann in den entsprechenden Institutionen von Regierung und Volk vor und somit richtet sich die ganze Nation nach ihnen; gewöhnlich sind es diese Annahmen, die schon im voraus bestimmen, welche Art von Entscheidungen gefällt werden. Es sind nicht einzelne Entscheidungen, die zu diesem Ergebnis führen; vielmehr bestimmt die Entfaltung einer Weltanschauung, welchen Lauf die Auswirkungen der entsprechenden Entscheidungsfindungen nehmen.((Einige Entscheidungen sind bahnbrechend, weil sie die besondere Eigenschaft haben, durch sich selbst die herrschende Kultur implizit zu verändern. Ansonsten ist es immer das Entscheidungsmuster und nicht eine oder mehrere Einzelentscheidungen, das die absehbare Laufbahn bestimmt, der die Entscheidungsfindung einer Nation folgt.))

Immer bestimmt das System die Wichtigkeit eines Ereignisses und nicht, wie Tölpel heutzutage glauben, die rein statistische Häufung von Ereignissen das System. So bestimmte in der Weltgeschichte, wie u. a. der Erste Weltkrieg zeigt, bisher meistens das Axiomatische einer Weltanschauung den Willen und das Schicksal von Nationen – und das weit wirksamer und erbarmungsloser als jede noch so überwältigende Streitmacht.

Die Narretei, anzunehmen, die USA waren die Hauptquelle der gegenwärtigen Systemkrise dieser Welt, wäre genau die Art Irrglaube, der unweigerlich die Welt, die dem Glauben schenkte, in eine tragische Katastrophe führen würde. Nur wenn man erkennt, dass die USA heute selbst im System ein Untertan (d. h. ein Opfer) des „Freihandels“-Systems und des weltanschaulichen Erbes der Britischen Ostindiengesellschaft – der Weltherrschaft finanzoligarchischer Interessen von heute – sind, nur dann kann man mehr tun, als törichte Vermutungen über das eigentliche Wesen der Welt von heute zu verbreiten. Solange dieser Punkt nicht verstanden wird, wird jedweder Ansatz eines Dialogs der Kulturen von Anfang zu einem katastrophalen Resultat führen.

Allein das Ausmaß einer Wirkung – wie die Wirkung der Maßnahmen der Vereinigten Staaten heutzutage – ist für sich genommen kein wirklicher Beweis, dass die Größe der Wirkung auf eine bestimmte Ursache zurückzuführen ist. Entscheidend ist, welcher kontrollierende Einfluss zu solcher Wirkung geführt hat und zur nächsten Wirkung führen wird. Große Fußspuren sind keine großen Füße. Die Ursache ist das System, welches das Verhalten der Vereinigten Staaten bestimmt. Um diese Wirkung zu kontrollieren, müssen wir das System kontrollieren, das das Volk lenkt, solange das Volk noch nicht selbst das System kontrolliert.

Es war die gefühlte Dringlichkeit, dass die USA selbst sich auf ihre Verfassung zu berufen haben, so wie Präsident Franklin Roosevelt es 1933 tat, um die USA vom Joch dieses englisch-niederländischen liberalen Systems zu befreien, das die Politik der Regierungen Theodore Roosevelt, Wilson, Coolidge und Hoover kontrolliert hatte. Die Folge davon war ein Eingriff in den Gang der Geschichte unter Franklin Roosevelt, der es möglich machte, dass die USA dem Faschismus, der ein im englisch-niederländischen liberalen System gefangenes Mittel- und Westeuropa überrollte, entkommen konnten.

Diese veränderte Wahrnehmung unter Franklin Roosevelt – wie vorher im Falle Präsident Abraham Lincolns – erlaubte den USA nicht nur wirtschaftlich einen großen Sprung nach vorn, sie konnten auch den entscheidenden Beitrag leisten, um das Ungeheuer des Faschismus zu besiegen und die Genesung des kriegszerstörten Europa zu fördern.

Die entgegengesetzte, weitverbreitete und oft verhängnisvolle falsche Annahme ist, man könne einem Konflikt mit bestimmten Traditionen an der Spitze der Gesellschaft aus dem Weg gehen und die Gesellschaft verbessern, indem man nur bessere Spielregeln des kulturellen Austausches in den Grenzen der unteren Schicht der Weltordnung einführt. Man will solche Verbesserungen in der Gesellschaft von unten nach oben anwenden, doch das eigentlich Entscheidende, von oben nach unten Wirkende – dass beispielsweise „unabhängige Zentralbankensysteme“ und „Freihandels“-Dogmen hingenommen werden – soll nicht angetastet werden. Dieses starrköpfige, manchmal verhängnisvolle Verhalten wird z. B. gerechtfertigt mit dem gängigen, tragischen Irrglauben: „Die Menschen sind für große Veränderungen noch nicht reif, man muss sie ihnen in kleinen Schritten beibringen“ – am liebsten so, dass sich die Beine gar nicht merklich bewegen. Solche hässlichen Anwandlungen selbstauferlegter psychosexueller Impotenz machen aus ihnen allen gewissermaßen politische Eunuchen.

Unsere Aufmerksamkeit muss sich daher auf diese Tatsache konzentrieren: Das Dominierende der internationalen Beziehungen ist seit Februar 1763, dass die Welt nicht von irgendeiner Nation beherrscht wurde, sondern zunehmend von einer modernen Spielart des mittelalterlichen europäischen Ultramontansystems der Partnerschaft der venezianischen Finanzoligarchie mit der normannischen Ritterschaft – dem englisch-niederländischen liberalen System der Weltfinanzen nämlich, ganz besonders in der Form, die das System seit 1971–1972 hat. Früher kannte man dieses liberale System als die Weltmacht, die sich im 18. Jahrhundert selbst als „Venezianische Partei“ oder auch als die „französische und britische Aufklärung“ etwa eines Voltaire u. a. bezeichnete. Es ist dieses System, das heute die Welt regiert und mit Hilfe des Weltwährungsfonds und der Weltbank die Regierungen der Nationen wie Vieh hält und bei Bedarf schlachtet, wenn die Nationen sich nicht selbst aus diesem Griff befreien.

Die strategische Lage heute

Bereiten wir uns nun darauf vor, in den Hauptteil dieses Berichts einzusteigen, indem wir das bisher Dargelegte wie folgt zusammenfassen.

Es sind die primär internationalen und sekundär nationalen Institutionen der monetären und finanziellen Angelegenheiten, die auf allen Gebieten die grundsätzlichen Entscheidungen jener Nationen und Völker kontrollieren, die von 1972–2004 die „Autorität“ von IWF und Weltbank hingenommen haben. Die Europäische Zentralbank ist gegenwärtig eine der bösartigsten dieser supranationalen Institutionen. Törichte Regierungen und Menschen sehen im allgemeinen nichts Bedeutsames in dieser Ordnung. Man geht in maßgeblichen meinungsbildenden Kreisen weithin stillschweigend davon aus, dass es zu dem mit diesen Institutionen verbundenen System gegenwärtig keine absehbare Alternative gibt: bis eine entsprechende Systemkrise ausbricht. Aus diesem Grund will die unwissende Meinung, die heute in höchsten Regierungsstellen vorherrscht, einfach nicht wahrnehmen, dass der Wille der Regierungen heute in der Regel nicht von der Macht der Nationen abhängt, sondern von einem System supranationaler finanzoligarchischer Interessen, das mächtiger ist als jedes Land, das sich den Spielregeln dieses liberalen Systems unterwirft: Das ist der Elefant, der kotet, während die Frischvermählten hilflos schlafen.

Das heutige liberale System ist nur der typische Ausdruck einer Kategorie von Einfluss auf den Willen von Nationen und Völkern, den man als „Ideologie“ bezeichnen kann. Eine Person, die blind irgendwelche Voraussetzungen als quasi axiomatisch für ihre Entscheidungen hingenommen hat, ist in diesem Maße genauso wenig Herr über sein eigenes Denken und Handeln wie ein Tier, dessen Verhalten, durch seine Instinkte als Mitglied seiner Art oder Rasse, vorherbestimmt ist. Die tatsächliche Macht von Institutionen wie Regierungen oder Gruppen von Regierungen ist heute nur selten wirklich von der Vernunft gelenkter freier Wille, sondern oft eher das Ochsenjoch einer bestimmten Ideologie.

Man sehe sich den Staatsmann an, wie er sich innerhalb dieser eingebildeten „Eisernen Jungfrau“ herumwindet. Er droht vernünftig zu handeln, aber weil er die Zwänge seiner Lage spürt, meidet er lieber den Schmerz und schränkt seine Bewegungen entsprechend ein. Technisch hat er die Voraussetzungen, vernünftig zu sein; aber wie der tragische Held kann er sich noch nicht von den entsprechenden Begrenzungen befreien. Er wird vom System kontrolliert.

In früheren Schriften und öffentlichen Reden habe ich die Funktionsweise dieses Problems als „Fischglas“-Ideologie beschrieben. Eine Bevölkerung übernimmt bestimmte gewohnheitsmäßige Annahmen – von denen einige ansatzweise wahr und andere grundfalsch sind – als ihre Weltanschauung. So war das kollektive Handeln jedweder bisher bekannten Gesellschaft eine Reaktion auf eine unausgesprochene, eingebildete physische Geometrie, die vom wirklichen Universum mehr oder weniger radikal abwich. Dadurch, wenn im Laufe von Entwicklungen die vorgegebenen kulturellen Matrizen über ein erträgliches Maß hinaus der Wirklichkeit widersprechen, werden die Opfer dieser Weltanschauung sogar innerhalb einer Fehlergrenze eher nicht auf die wirkliche Welt reagieren, sondern auf die eingebildete Welt ihrer gewohnten Weltanschauung. Das Problem habe ich als eine „Fischglas-Mentalität“ bezeichnet: Man schwimmt weiter im gewohnten Fischglas, selbst wenn das Glas zerbrochen ist und das Wasser und der hilflos zuckende Fisch sich über das Mobiliar ergießen.

Das war noch bis vor kurzem der erbärmliche Geisteszustand eines großen Teils der amerikanischen Wählerschaft, die den steilsten Einbruch der Realwirtschaft seit einem halben Jahrhundert erlebte, aber gleichzeitig George W. Bush wiederwählte, weil sie an einen anhaltenden Wirtschaftsaufschwung glaubte, der überhaupt nicht existierte! Das liberale System ist eine maßgebliche Ideologie – eine „Fischglas-Mentalität“ –, welche die Nationen heute meistenteils beherrscht.

Wenn die Beteiligten versuchen, beispielsweise durch einen Dialog der Kulturen ein System kultureller Gefälligkeit zu definieren und somit einen axiomatisch widersprüchlichen Satz aprioristischer Annahmen erzeugen, führt das aus einer gegenwärtigen oder früheren Katastrophe geradewegs wieder in Auseinandersetzungen, die in gegenseitiger Selbstzerstörung münden – etwa ausweglose Kriege wie den Krieg der USA im Irak heute.

Eine wichtige Tatsache ist damit also schon ziemlich klar: Die Anstrengungen für Reformen, wie etwa kulturelle Vereinbarungen unter den heutigen Nationen, werden mit Sicherheit völlig scheitern – so edel und leidenschaftlich die Motive auch sein mögen –, bis der krankmachende Faktor des übergeordneten Systems, das finanzoligarchische, imperiale Systems des englisch-niederländischen Liberalismus – die derzeit herrschende „Fischglas-Mentalität“ – aus den Institutionen weltweiter Macht entfernt ist.

Diese heute herrschenden Mechanismen sind „genetisch“ die Nachfahren der Mechanismen, aus denen der Erste Weltkrieg hervorging, der wiederum die faschistische Herrschaft in Kontinentaleuropa zwischen 1922 und 1945 nach sich zog, und welche heute die herrschenden Kräfte in der Welt des alten amerikanischen Oligarchen George Shultz und seiner Geschöpfe Condoleezza Rice, Dick Cheney, Arnold Schwarzenegger sowie dem alten Räuber Pinochet sind. Kein Kulturabkommen unter den Mäusen unterschiedlicher Couleur wird von Dauer sein, solange die englisch-niederländische finanzoligarchische Katze frei herumläuft. Wir müssen dieser großen, menschenfressenden Katze nicht nur eine Schelle umhängen, zuerst müssen wir sie in einen Käfig sperren.

George Shultz, Condoleezza Rice, Arnold Schwarzenegger, Augusto Pinochet
Die politischen Zöglinge von George Shultz (li.): Condoleezza Rice, Arnold Schwarzenegger und Augusto Pinochet, chilenischer Diktator | | Foto Shultz: Wikipedia/Christopher Michel; Foto Schwarzenegger: Wikipedia/Angela George; Foto Pinochet: Außenministerium Chile

Die Befreiung dieses Planeten von der englisch-niederländischen liberalen Tradition, die auch die Regime von Benito Mussolini, Adolf Hitler und Francisco Franco hervorbrachte, ist eine unverzichtbare Vorbedingung für die heutige Bewahrung der Zivilisation; aber es gibt noch viel mehr, was ins Reine gebracht werden muss. Mussolini und Hitler loszuwerden, war notwendig; aber den ekligen Müll herauszutragen heißt noch lange nicht eine schmackhafte Mahlzeit zu produzieren. Wir müssen an der Stelle der kranken Welt von heute ein neues Gebäude errichten. Also lautet die Frage: Welches sollten die Gestaltungsprinzipien für ein ökumenisches System der Zusammenarbeit souveräner Nationen auf der Erde sein, die alle zu leistenden Phasen von Planung und Aufbau der direkt vor uns liegenden zwei Generationen leisten können?

Das Gute ist niemals nur die Negation des Schlechten; das Gute ist das Erhabene, das aus seiner eigenen positiven Natur heraus außerhalb der Grenzen vorhandener Verhaltensgewohnheiten wirkt und da aufbaut, wo das Herkömmliche aufgrund seiner ihm innewohnenden Korruption zerstört. Eine gute dramatische Behandlung eines Gegenstandes wie Adolf Hitler beschreibt die Menschen nicht als gut, wenn es nur zeigt, wie böse Hitler war. Sich in den schmutzigen Einzelheiten eines schrecklichen Verbrechens zu suhlen – wie etwa die Absicht hinter Allen Dulles’ proexistentialistischem KkF für eine außerordentliche Kriminalität steht – veredelt den Betrachter eines Theaterstücks nicht, sondern wird auf das Publikum und die Schauspieler eher eine verderbliche Wirkung haben, so wie ein Stück von Bertolt Brecht. Man behandelt das Böse Hitlers durch Liebe zu dem Guten, das er vernichtete – nicht nur das Gute in seinen Opfern, sondern auch das verderben des Guten in solchen Deutschen und anderen, die von Hitler und dem System seiner synarchistischen Herren für ihre Unternehmungen missbraucht wurden.

Die Welt braucht dringend eine Idee, die der Mission dient, welche die Befürworter des Dialogs der Kulturen fördern möchten; aber wir müssen es richtig machen, sodass der Wunsch nach etwas Besserem uns nicht zu romantischen Träumen und Wunschdenken verlockt, die schon so oft genau das Gegenteil von dem bewirkten, was man sich als Ergebnis davon erhofft hatte.

Wernadskijs Noosphärenbegriff definiert einen erhabenen empirisch-gedanklichen Bezugspunkt, einen Bezugsrahmen, in dem alle ernsthaft zu behandelnden Fragen – auch die Unterschiede zwischen den Kulturen – quasi axiomatisch eingeschlossen sind. Wie wird die Noosphäre in zwei Generationen aussehen? Wie soll das geschehen? Welche Herangehensweise ist der beste Weg, im Laufe der kommenden zwei Generationen oder mehr sowohl die Erfordernisse nationaler und persönlicher Souveränität zu erfüllen als auch dringend notwendige Verbesserungen der Eigenschaften und Qualität der Noosphäre hervorzubringen?